Donnerstag, 1. Oktober 2020

Famous Last Words I

 In meinem Buch „Das fliegende Glossenzimmer – Schulische Satiren“ habe ich mich in einem Abschlusskapitel an die einzelnen Gruppen gewandt, die konkret mit Schule zu tun haben.

Ich werde hier in einer kleinen Serie abdrucken, was ich den Lehrerinnen und Lehrern, den jungen Kolleginnen und Kollegen im Referendariat, den Schulleiterinnen und Schulleitern, den Eltern und natürlich den Schülerinnen und Schülern am Schluss des Buches noch sagen wollte. 

Sozusagen als Klartext nach den ganzen Satiren davor. Mir war klar, dass ich dabei – von keiner Gruppe – rauschenden Beifall ernten würde. Darauf sind meine gesamten Artikel nicht angelegt. Doch wenn ich damit den einen oder anderen zum Nachdenken anregen kann, bedeutet mir dies weit mehr.

Natürlich wandte ich mich zunächst an diejenigen, welche in der gleichen beruflichen Situation sind wie ich es war:

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Obwohl es Ihnen helfen dürfte, dass ich die extremen Belastungen geschildert habe, denen Sie heute in Ihrem Beruf ausgesetzt sind, kamen Sie in manchen Glossen ziemlich schlecht weg. Und das mit vollem Recht!

Die Krux ist, dass ein bestandenes erstes Staatsexamen wenig, die Note im zweiten nicht viel über die Eignung zum Lehrberuf verrät. Gute Fachkenntnisse, exzellente Lehrproben und Risikovermeidung durch Eintritt ins Beamtenverhältnis sagen kaum etwas darüber aus, ob man als Lehrer Erfolg haben wird. Daher laufen an den Schulen viele Kollegen herum, die ich lieber in einem anderen Beruf sehen würde.

Ich wünsche mir rechtzeitig im Studium – zum Schutz vor Fehlentscheidungen – einen Eignungstest für Lehramtsanwärter, in dem zentrale Fähigkeiten für unsere Arbeit überprüft werden. Für mich sind das vor allem

·        Entscheidungskompetenz

Viele Kollegen sind Meister des Konjunktivs – „Mamüma-Formeln“ („man müsste mal“) sind an der Tagesordnung, Begriffe wie „grundsätzlich“ oder „eigentlich“ die Devise. Dafür werden sie aber nicht bezahlt (oder sollten es jedenfalls nicht werden).

Ich las einmal, ein Lehrer müsse pro Tag ungefähr so viele Entscheidungen treffen wie ein Fluglotse. Das funktioniert nur, wenn Sie nicht um jeden Killefitz ein stundenlanges Gewese veranstalten, sondern wie ein Manager verfahren: Agieren Sie schnell, sicher und vielleicht mal falsch, das bringt Sie weiter als die Variante langsam, unsicher und vielleicht richtig!

Und nein: Fragen Sie nicht im Lehrerzimmer nach (oder gar im Chefbüro), dort weiß man es auch nicht besser (obwohl man gerne so tut)!

·        Verantwortungskompetenz

Für mich steht felsenfest: Wer in seinem Beruf geliebt werden möchte, sollte auf keinen Fall Lehrer werden! Sie machen anderen Menschen einen Haufen Arbeit und bewerten die auch noch. Glauben Sie, damit Freunde zu gewinnen? Wie mein alter Seminarlehrer zu sagen pflegte: Erziehung ist ein zuweilen schmerzhafter Prozess. Junge Menschen reifen nicht dadurch, dass man ihnen Honig ums Maul schmiert (von anderen Körperöffnungen ganz zu schweigen), sondern mit ihnen die Konflikte durchsteht, welche ihre Entwicklung fördern.

Und klar: Im Zweifel sind Sie an allem schuld. Das müssen Sie aushalten.

·        Kommunikationsfähigkeit

Beobachten Sie einmal Moderatoren von der Qualität eines Günther Jauch: Der kann sich blitzschnell auf jeden Menschentyp, jede Sprachebene, jede Interessenlage einstellen. Man erkennt seine eigene Ansicht, und dennoch lässt er anderen den Raum, sich zu präsentieren, er kann zuhören, das Gehörte strukturieren, aber auch Grenzen setzen. Und witzig sein. 

Im Mittelpunkt jedes Unterrichts steht die Sprache. Wer darin ein Meister ist, eignet sich weit mehr zum Lehrer als jemand mit exzellenten Fachkenntnissen oder gar auswendig gelernten Pädagogik-Sprüchlein. 

Merke: Als Lehrer müssen Sie stets in der Lage sein, auch bei völliger Ahnungslosigkeit eine überzeugende Unterrichtsstunde zu gestalten! 

·        Leidenschaft

Immer wieder liest man in Schüler- und Abiturzeitungen Kollegen-Äußerungen in der Art von „Ach Kinder, ich hab doch auch keine Lust!“ Ich könnte bei solchen Sätzen weinend unter den Teppich kriechen.

Wer soll eigentlich Freude am Lernen, Neugier auf neue Inhalte, Spaß am Erwerb von Fähigkeiten entwickeln, wenn Sie – statt die Flamme der Bildung weiterzugeben – am Pult vor sich hin kokeln?

Doch: Es ist höchst anregend, sich mit der Integralrechnung, der Beingliederung eines Maikäfers oder dem Dreißigjährigen Krieg zu befassen – und das müssen Sie selber fühlen oder – falls nicht – schauspielerisch überzeugend darstellen. 

Merke: Unterricht ist Entertainment mit Förderanspruch!

·        Paralleluniversen

Der Typus des „24 Stunden-Lehrers“ war mir stets höchst verdächtig. Viele Kollegen könnte man nachts um drei aufwecken – und sie würden sofort über die mangelhaft ausgefüllten Englisch-Workbooks jammern. Für mich stellt das eine Verarmung der Persönlichkeit dar. 

Unsere Schüler verdienen Menschen, die voll im Leben stehen – und keine blutleeren Schmalspur-Existenzen. Es ist schön, wenn die Schule anfängt, aber irgendwann ist es auch wieder gut. Und dann klappen Sie bitte Ihre Korrekturen zu und begeben sich ins restliche Leben – kümmern Sie sich um Ihre Familie, frönen Sie Ihren Hobbys oder legen die Füße hoch und chillen. Das tun Ihre Schüler auch!

Merke: Schule ist höchstens das halbe Leben!

 

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http://www.robinson-riedl.de/buecher.htm


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