In Fortsetzung meiner kleinen Serie wende ich mich heute an die Eltern:
Liebe Eltern,
vielleicht sind Sie mir böse, da ich Sie in etlichen Texten als Helikopter dargestellt habe, welche die Schule ständig mit irgendwelchem Blödsinn nerven.
Daher: Ich habe in meinem Berufsleben eine Menge Mütter (und manchmal sogar Väter) kennengelernt, mit denen ich verständnisvoll und produktiv zum Wohle ihrer Kinder zusammenarbeitete. Und ja, werte Herren: Oft hatte ich den Eindruck, Sie hielten Erziehung für eine „Frauensache“. Gerade bei Buben kann das grandios misslingen!
In den Sprechstunden konnte ich nicht wenige Mütter davon abbringen, wegen momentaner Krisen an ihren Kindern zu verzweifeln, Sie ermutigen, dennoch zu ihnen zu stehen, ihre weitere Entwicklung mit Optimismus und Empathie, aber unaufgeregt zu begleiten. Manche von Ihnen waren sehr erstaunt über meine Einstellung, dass Noten nicht alles seien – und manchmal auch: dass man ohne Abitur ein erfolgreicher und glücklicher Mensch werden könne.
Vor allem aber, liebe Eltern: Sie sind nicht schuld an allem, was Ihre Kinder verbocken. Die Lehrer aber auch nicht!
Es wächst jedoch die Zahl der Eltern, welche der Schule das Wichtigste vorenthalten, das sie von ihnen bräuchte: Vertrauen.
Glauben Sie mir: Nicht jede „Horrorgeschichte“, die Ihr Kind aus dem Unterricht mitbringt, hat sich so abgespielt, wie sie klingt! Junge Menschen haben nicht den Überblick von Erwachsenen und lieben abenteuerliche Erzählungen. Nicht jede schlechte Note, jede Erziehungsmaßnahme war tatsächlich so ungerecht, wie sie Ihnen geschildert wird. Es ist das gute Recht Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter, sich aus der Sache herauszureden, anderen die Schuld zu geben. Das machen sogar Erwachsene. Dies sollten Sie, wie die Lehrkräfte, entspannt ertragen und sich nicht instrumentalisieren lassen.
In meiner Generation wartete auf uns Kinder in solchen Fällen der elterliche Spruch: „Dein Lehrer wird schon wissen, was er tut.“ Glauben Sie mir: In der überwiegenden Zahl der Fälle stimmt der Satz heute mehr denn je!
Sicherlich sollten Sie die schulische Entwicklung Ihres Nachwuchses aufmerksam verfolgen – und selbstverständlich dürfen Sie sich einmischen, wenn sich ernste Krisen anbahnen, Ihre Kinder an Lehrkräfte oder Mitschüler geraten, die es nicht verdienen, an dieser (oder überhaupt einer) Schule zu sein. Solche Fälle gibt es – aber auch dann ist es besser, der Bildungseinrichtung nicht gleich mit Beschwerden, gar Drohungen zu kommen. Suchen Sie stets das Gespräch – offen, aber vertrauensvoll.
Machen Sie sich klar, dass es ein Riesenunterschied ist, wie sich Heranwachsende in der Kleingruppe Familie oder in einer Klassengemeinschaft von 20 und mehr Personen geben! Dort entsteht eine Eigendynamik, welche zu Verhaltensweisen führen kann, die Sie sich aus den familiären Erfahrungen nicht vorstellen können.
Lehrkräfte und Eltern sind auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. So wie wir Lehrer nicht von vornherein vermuten sollten, Eltern seien zu Erziehung weder willens noch fähig, sollten Sie (auch jungen) Lehrern nicht unterstellen, sie hätten keine Ahnung von einem guten Unterricht oder verteilten Noten ungerecht sowie voreingenommen.
Solide Schulbildung ist halt in der Praxis oft nicht einfach umzusetzen – und das liegt in der Regel am wenigsten an dem Kollegen in der Klasse. Besonders schlimm wird es, wenn der befürchten muss, jeden unbedachten Satz, jede vielleicht im Trubel nicht hundertprozentig richtige Entscheidung anschließend per Beschwerdebrief oder gar vom Anwalt vorgehalten zu bekommen. Erziehung lebt von Spontaneität und vom Bauchgefühl – und nicht von der Verwendung „gerichtsfester“ Absicherungen. Ich habe es im Berufsalltag mehr als einmal erlebt, wie schon ein einziges derart gestricktes Elternpaar die Atmosphäre in einer Klasse vergiften kann!
Daher möchte ich mich abschließend vor allem bei einer „schweigenden Mehrheit“ bedanken, die ich beruflich selten oder gar nicht zu Gesicht bekam. So sehr man sich als Lehrer über Kontakte mit Eltern freut, wenn es wirklich ernste Probleme gibt (der aber häufig ausbleibt): Viele Erziehungsberechtigte lernte ich nie persönlich kennen, jedoch durchaus ihren Stil: Sie taten zu Hause das Ihre, uns lernwillige und strukturierte junge Menschen mit positivem Sozialverhalten zu schicken – und vertrauten darauf, dass wir ihre Bemühungen im Unterricht fortsetzten.
Es war eine Freude, mit solchen Schülerinnen und Schülern zu arbeiten – daher unbekannterweise ein herzlicher Dank: Sie haben alles richtig gemacht!
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