Dienstag, 13. Oktober 2015

Der Fisch stinkt vom Kopfe her



Sprichwort: Im (Fisch)kopf ist das leicht verderbliche Hirn. Dort fängt der Fisch zuerst an zu stinken.“

Der im letzten Artikel beschriebene Ablauf einer ziemlich heftigen Elternbeschwerde bezog ja schon eine wichtige Instanz mit ein: den Schulleiter (wegen der paar Prozent Frauen in diesem Job lohnt eine Gender-Correctness nicht).

Hinsichtlich dieser Person habe ich in solchen Fällen einen ziemlich stereotypen Ablauf erlebt, der es fraglich macht, ob ich bei meinen Erfahrungen stets an Zufälle geraten bin:

·         Während man mit einem eigenen Anliegen oft tagelang auf einen Termin beim Chef warten muss, werden querulierende Eltern gern gleich telefonisch durchgestellt, statt dass man sie zunächst an die zuständige Lehrkraft verweist oder erstmal warten lässt, bis sie sich etwas abgekühlt haben. So wird auch der windigste Firlefanz gleich zur „Chefsache“ aufgeblasen – die einschlägigen Dramatisierungen inklusive.
 
·         Der arme Schulmeister wird bei solch „hochwichtigen“ Affären dann oft unverzüglich vom Flur ins Direktorat gezerrt: „Gut, dass ich Sie gerade sehe – wir müssten mal was Dringendes besprechen.“ Merke: Elternwünsche haben stets Vorrang! Übrigens besteht zwischen der Hektik der Sachbehandlung und der Wichtigkeit des Vorfalls keinerlei Relation: Es muss keine Note Fünf im Abitur sein – es reicht durchaus, wenn Sie einen „Turnbeutelvergesser“ zum Aufräumen der Gymnastikmatten verdonnert haben: Hauptsache, die Erziehungsberechtigten sind empört genug!
 
·         A priori spricht ein solches Vorkommnis schon mal gegen den Lehrer, was man oft schon unter Augenbrauenrunzeln als ersten Satz vernimmt: „Der Vater des Schülers … hat vorhin angerufen und sich über Sie beklagt.“ Merke: Einem guten Lehrer passiert so etwas nicht – und nun machen Sie Ihrem Direktor mit der „leidigen Angelegenheit“ auch noch Arbeit!
 
·         Nicht, dass Sie nun glauben, bei der anschließenden Unterredung ginge es um die Berechtigung oder gar den Sinn Ihrer Maßnahme! Ziel ist einzig und allein die „Wahrung des schulischen Friedens bzw. Ansehens“ – vulgo, die Eltern sollen genügend beruhigt werden, um von weiteren Attacken abzulassen. Zugeständnisse Ihrerseits werden als selbstverständlich vorausgesetzt – eine geeignete Lehrkraft beharrt eben nicht stur auf Ihrem Standpunkt, und mag der noch so richtig sein!
 
·         Zu oft kommt es schließlich dazu, dass Ihre ursprüngliche Entscheidung relativiert oder gar storniert wird. Mit der Folge, dann als Lehrer zu gelten, dessen Anweisungen nicht ernst zu nehmen sind, dürfen Sie alleine fertig werden – oder mit der berühmten „Schere im Kopf“, lieber inkonsequent zu sein als die nächste Beschwerde am Hals zu haben.

Ich war wohl in meinem Berufsleben (vielleicht am Anfang mehr als gegen Ende) das, was man einen „strengen Lehrer“ nennt. Der Grund dafür könnte nicht zuletzt darin liegen: Während zu meiner eigenen Schulzeit Lehrer „Halbgötter“ waren (der Chef natürlich das Doppelte), hatten sich die Machtverhältnisse in meiner Referendarzeit schon ziemlich umgekehrt. Der typische Seminarlehrer warf dann im Notfall lieber seine Leute den Schülern zum Fraß vor, auf dass sie ihn selber in Ruhe ließen. Sehr bald wurde mir klar:

Wir Lehrer haben den Rücken frei, denn hinter uns steht niemand mehr.

Am besten war es, seine Entscheidungen im Alleingang durchzudrücken – auf Hilfe „von oben“ sollte man sich lieber nicht verlassen. Da wird man dann im Unterricht schon mal etwas lauter und entschlossener, als einem wirklich zumute ist…

Was ist der Hintergrund des ganzen Dilemmas? Wir könnten hierzu natürlich eine Vielzahl gesellschaftlicher Faktoren diskutieren, um hernach festzustellen, dass wir diese nicht ändern werden. Ich möchte mich dagegen auf einen Punkt konzentrieren, der – zumindest nach meinen Erfahrungen – ziemlich maßgeblich für die zunehmende Frustration und „innere Emigration“ in der Lehrerschaft ist:

Die meisten Schulen werden von Personen geleitet, die hierfür nicht sehr geeignet sind.

Wenn Sie sich von Ihrer Ohnmacht wieder erholt haben, möchte ich Ihnen gerne typische Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensweisen von Menschen beschreiben, die gemeinhin an die Spitze von Bildungsinstituten führen:

·         Diese Personen weisen fast immer ein exzellentes Fachwissen auf, was durch beste Noten im ersten und zweiten Staatsexamen dokumentiert wird.
 
·         In ihrer schulischen Karriere fallen sie durch höchst innovativen (vielleicht nicht immer effektiven) Unterricht auf und machen sich einen Namen durch Beteiligung an allen möglichen klassen- und schulübergreifenden Projekten.
 
·         Sie zeichnen sich durch hohe kommunikative Kompetenz aus, welche sie vielleicht nicht ganz altruistisch, sondern durchaus zum Verfolgen des eigenen Fortkommens einsetzen. Daher erhalten sie beste Beurteilungen, was ja zur Berufung auf eine solche leitende Position unabdingbar ist.
 
·         Sie gehören zum Typus des „24-Stunden-Lehrers“: Die Schule ist ihr einziger Lebensinhalt, sie verbringen dort mehr als die Hälfte des Tages, was natürlich ihren Vorgesetzten sehr positiv auffällt.
 
·         Sie denken und handeln „mainstream“ unter steter Beachtung einer größtmöglichen Zustimmung für ihre Aktivitäten. Fällt diese zu gering aus, können sie ihre Inhalte ziemlich flexibel und ohne schlechtes Gewissen variieren. Konflikten mit Gleich- oder Höherrangigen gehen sie aus dem Weg. Ein „Querkopf“ oder gar „Rebell“ sind sie niemals.

Stellt man eine solche Person an die Spitze eines Instituts mit einer eher vierstelligen Schülerzahl, beginnen die obigen Eigenschaften sich (weiter) zum Negativen zu entwickeln:

·         Da sie auf Grund ihrer professionellen Leistungen sowieso zu einem gewissen „Primusdenken“ neigen, verfestigt sich die Einstellung, nun aber auch wirklich alles Schulische besser beurteilen zu können als der Rest.
 
·         Eingedenk ihrer eigenen Aktivitäten ist ihnen ein Kollegentypus, der seine Arbeit auf den Unterricht konzentriert (und mag der noch so wirkungsvoll sein) ein Gräuel – „Aktivitätsepileptiker“, „Sozialarrangeure“ und "Grillfestorganisatoren" haben da mehr Chancen.
 
·         Ihre Neigung, das Leben außerhalb der Schule zu ignorieren, setzt sich weiter fort mit dem Ergebnis, dass sie zum „Workaholic“ werden - in der Endphase getrieben von der Überzeugung, dass sie unersetzlich sind und ohne sie nichts mehr geht.

·         Hieraus resultieren schwerste Mängel in der Fähigkeit, Aufgaben zu delegieren: Wenn, dann erfolgt dies höchstens aus totaler Arbeitsüberlastung, und beim geringsten Zweifel mischt man sich wieder ein und demonstriert dem Untergebenen, dass er es „halt nicht kann“ – was zumindest auch ein Grund für die fortschreitende Unselbstständigkeit in der Lehrerschaft ist.
 
·         Der „Mainstream-Zwang“ weitet sich aus: Entscheidungen von Lehrkräften werden weniger auf ihre Richtigkeit denn ihre Popularität geprüft. Konflikte scheut man wegen des „großen Ganzen“ mehr denn je – und Eltern können halt mehr Ärger machen als Lehrer, welche man ja notfalls per Dienstrecht in den Griff kriegt.
 
·         Natürlich ist es wahr, dass die Bildungsministerien sich alle Mühe geben, Direktoren mit jeder Menge Erlassen und Anweisungen zu beschäftigen – ebenso stimmt es aber auch, dass kaum ein Chef es wagt, unsinnigen Formularmüll einmal liegen zu lassen. Wie gesagt: Rebellen sind sie nicht, und mit steigender Position wächst die Angst vor dem Absturz.
 
·         Wegen all der Arbeitsüberlastung müssen die Leiter größerer Schulen meist keinen oder kaum noch selber Unterricht geben. Nach einiger Zeit wandelt sich daher ihre Berufsauffassung völlig: Sie sind kein Lehrer mehr, sondern Verwaltungsbeamter. Ob dies nun ihr Motiv für die Bewerbung um einen Chefposten war oder nicht: Das Verständnis für die Probleme „an der Front“ geht verloren. Man vergisst, wie leicht man dort straucheln kann und wie nötig dann eine Rückendeckung wäre.

Ich hätte mir in meinen Berufsleben mehr Schulleiter gewünscht, die

·         ruhig hätten schlechtere Staatsexamensnoten haben können. Hochgestochenes akademisches Wissen oder pädagogische Definitionen spielen im Klassenzimmer kaum eine Rolle, bei der Leitung einer Bildungseinrichtung gar keine.
·         in erster Linie Meister des Unterrichtens sind und dies auch weiterhin tun – als Vorbild für ihre Lehrer.
·         das unterrichtsferne Schaufenster-Getütere in Form von „Projekten“ und „Schulinnovations-Geschwätz“ in Grenzen halten zugunsten des Fokus darauf, wie man den Schülern wichtige Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln kann.
·         wissen, an wen sie welche Aufgaben vertrauensvoll delegieren können – und ihn dann auch machen lassen.
·         nach außen und oben hin Courage zeigen und unpopuläre Entscheidungen vertreten, wenn sie von deren Richtigkeit überzeugt sind.
·         wissen, dass es ein Leben außerhalb der Schule gibt, und intensiv daran teilnehmen – auch, wenn das „Forum Schulentwicklung“ dann einmal ausfallen sollte...
·         sich bei Attacken auf ihre Lehrer nicht als „neutraler Moderator“ gerieren, sondern sich daran erinnern, dass die Lehrkräfte ihre Kollegen sind – und nicht nur waren.

Dies alles dürfte in vielen Ohren hart klingen. Man muss aber wissen, dass Direktoren an ihrer Schule eine sehr weitgehende Entscheidungsbefugnis haben. Wenn es daher in einer solchen Einrichtung müffelt, sollte man die Geruchsquelle nicht im Klassenzimmer suchen...

Mittwoch, 2. September 2015

Karin Law Robinson-Riedl: Warum es die Lehrer „nicht bringen“



A: Junger Erwachsener, inzwischen längst im Beruf angekommen, hat das Gymnasium durchlaufen
B: Lehrerin nach vielen Dienstjahren

A: Meine Schulerinnerungen sind leider Gottes überwiegend lausig!
B: Warum?
A: Die Lehrer haben es nicht geschafft, uns Schüler zu erreichen; reden vor sich hin, keiner hört zu.
B: Warum habt ihr nichts gesagt, nicht den Dialog gesucht?
A: Haben wir ja. Wir hatten zwei Bücher (Lektüre) gelesen. Dann wollte die Lehrerin ein drittes behandeln. Da habe ich mich gewehrt und gefragt, wozu? Warum lesen wir nicht Zeitungsartikel, von denen wir wirklich was haben, die sich auf die Realität beziehen?
B: Was hat euch denn an den Lektüren gestört?
A: Alte Sprache - unverständlich, Themen, die keinen Menschen interessieren…
B: Stimmt, alte Sprache ist schwer zu verstehen, muss man teilweise schon übersetzen. Es gibt schon Goethe als Comic, damit es jeder kapiert. Auch: Nacherzählungen von klassischen Werken für die Jugend (z.B. „Nathan der Weise“, „Nibelungenlied“ usw.). Ist das vielleicht doch ein Verlust? Wie beim Verlust von genetischen Programmen durch das Aussterben von Arten… Außerdem: Wer außer Gymnasiasten soll denn noch an die „alte“ Sprache herangeführt werden? Stichwort: Geschichtsbewusstsein! Das ist ein Gesamtpaket: Geschichte, Literatur – das sind doch „Werte“ unserer Kultur! Andere Völker wie die Franzosen sind darauf stolz. Übrigens wurde neulich der Haupttempel von Palmyra zerstört durch die IS-Leute. Machen wir das jetzt ähnlich?
A: Natürlich nicht, aber es wird zu lange auf Lektüren herumgeritten…
B: Kann schon sein. Frage der Schwerpunkte im Lehrplan!
A: Eben, da muss doch Realität, das Hier und Heute rein! Wie werden denn die Schüler auf das Leben nach der Schule vorbereitet?
B: Das Gymnasium setzt (zumindest auf dem Papier) auf eine breite Allgemeinbildung (altes humanistisches Prinzip) und nicht auf reines Faktenlernen.
A: Wir haben in Biologie, Erdkunde usw. seitenweise Fakten lernen müssen. Einzelheiten, die man sofort vergisst.
B: Das sollte in keinem Fach so sein. Daher auch bei der Lektüre: Bücher enthalten für mich „kondensierte Lebenserfahrung“. Am fiktiven Muster werden Lebensentwürfe, Entwicklungen, Zusammenhänge sichtbar. Der Autor hat Ereignisse literarisch zusammengefügt, so dass man Dinge, die einen selbst, die eigene Realität betreffen, unter einer bestimmten (neuen) Perspektive wiedererkennt. Oder man vergleicht seine Realität mit der fiktiven, erkennt die Unterschiede. Das bringt einen weiter.
A: Ist mühsam. Vor allem, wenn es langweilig präsentiert wird.
B: Wie denn?
A: Schlagt das Buch auf Seite 9 auf und dann lesen wir…
B: Kann mal sein, aber dauernd ist das natürlich nichts.
A: Die Schüler bleiben außen vor, werden nicht mitgenommen.
B: Warum meldet ihr euch nicht, stellt keine Fragen?
A: Da vergeht es einem irgendwann.
B: O mei‘…

Fazit:
Die neuen Unterrichtsformen setzen stark auf die Aktivierung der Schüler. Das ist wohl dringend notwendig. Aber, wie ich es schon oft erlebt habe, wird eine Methode mal wieder verabsolutiert, was sie letztlich ins Leere laufen lässt. Warum denn kein Methodenwechsel? Nicht nur von einer Stunde zur nächsten (also von einem Lehrer zum nächsten), sondern bei jedem Unterrichtenden im Einzelnen, passend zum Stoff, um den es geht.

Sicherlich muss der Lehrende Verständnis dafür haben, wenn ein Schüler kein intensiveres Interesse an dem Inhalt zeigt, den er anbietet. Grundlagen muss er verlangen, das ist sein Job, aber er darf nicht persönlich beleidigt sein, wenn es nicht darüber hinausgeht!

Aber die Probleme mit dem Lehren und Lernen sind Jahrtausende alt. Nicht einmal Jesus hat alle seine Jünger erreicht, wie wir wissen. Obwohl es ihm an Charisma bestimmt nicht gefehlt hat! Es stimmt wohl die alte Regel von dem Samenkorn, das eben auch auf fruchtbaren Boden fallen muss. Der Boden meint nicht nur Interesse für den jeweiligen Inhalt und eine Begabung dafür, sondern eine allgemein menschliche Aufgeschlossenheit für Inhalte insgesamt. Wie sehr man sich darein vertieft, mag individuell verschieden sein. Das ist legitim. Aber eine Grundbereitschaft und Höflichkeit seitens der Schüler, sich dem Angebot wenigstens einmal zu öffnen, muss vorhanden sein, sonst gibt es keine Chance.

Dann können die Lehrer es auch bringen!

P.S. Der obige Dialog hat in den Grundzügen so stattgefunden; Details wurden ergänzt.

Montag, 24. August 2015

Lernzielkontrolle



Ausnahmsweise dürfen nun Sie als Lehrer (oder sonstwie Erziehender) eine kleine Prüfung absolvieren: Nachfolgend einige Beispiele aus meiner Unterrichtspraxis, zu denen ich Ihnen jeweils vier Reaktionsmöglichkeiten vorschlage.

Nach dem Lesen der Frage sollten Sie nicht länger als jeweils eine Minute brauchen, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Bedenken Sie das Motto:
„Ein Manager entscheidet schnell, sicher und falsch!“

1.    Wegen einer plötzlichen Erkrankung in der Familie werden Sie daheim noch aufgehalten und  können nicht pünktlich starten. Das ist Ihnen umso unangenehmer, als Sie in der ersten Stunde eine Klasse haben, in der immer wieder Schüler mit allen möglichen Ausreden zu spät kommen. Wie entscheiden Sie sich?

1.a Sie melden sich kurz vor acht Uhr für diesen Tag telefonisch arbeitsunfähig.
1.b Sie rufen in der Schule an und sagen die erste Stunde wegen der Erkrankung des Familienmitglieds ab.
1.c Sie kommen mit fünfzehn Minuten Verspätung in der Klasse an und erklären den Schülern genau den Grund für Ihre Unpünktlichkeit.
1.d Sie gehen in der Schule zuerst ins Lehrerzimmer, ruhen sich dort fünf Minuten aus und beginnen nach zwanzig Minuten kommentarlos mit Ihrem Unterricht.

2.    Wie verbringen Sie Ihre Pausen an einem Tag mit sechs Stunden?

2.a Sie studieren Ihre Vorbereitungen für die nächsten Klassen.
2.b Sie erledigen längst fällige Unterredungen mit Kollegen.
2.c Sie ziehen sich in einen abgelegenen Raum zurück, wo Sie Getränke sowie einen Recorder mit Ihrer Lieblingsmusik deponiert haben.
2.d Sie sitzen in der Teeküche und beteiligen sich an Diskussionen über schulische Themen.

3.    Kollege X ist wegen seiner unheilbar chaotischen Arbeitsweise (hält keine Termine ein, hat ständig Sonderwünsche) hinlänglich bekannt und verrufen. Nun bittet er sie, nächste Woche auf eine Unterrichtsstunde zu verzichten, da er diese dringend noch zur Vorbereitung auf eine Prüfung brauche. Das brächte aber Ihre Planung durcheinander. Wie verhalten Sie sich?

3.a Sie verweigern Ihre Zustimmung mit Hinweis auf die prekäre Situation Ihrer Stoffeinteilung.
3.b Sie sagen zu, weisen Ihre Klasse aber an, in der betreffenden Stunde zu Ihnen in den Unterricht zu kommen.
3.c Schweren Herzens sagen Sie ja, nehmen sich aber vor, mit dem Kollegen zu geeigneter Zeit über seine Unzuverlässigkeit zu sprechen.
3.d Sie geben ihm gerne Ihre Stunde, da Sie ja dann frei haben.

4.    In der Pause werden Sie ins Sekretariat geholt. Ein Vater sei am Telefon, der sich bei Ihnen über eine kürzlich gegen seinen Sohn ausgesprochene Sanktion beschweren wolle. Aus beruflichen Gründen könne er nicht in Ihre Sprechstunde kommen. Was jetzt?
4.a Sie teilen Ihm persönlich mit, dass Sie nur zum regulären Termin Zeit hätten.
4.b Sie lassen ihm ausrichten, dass Sie derzeit verhindert seien, für berufstätige Eltern jedoch – nach vorheriger Anmeldung – freitags zwischen 19 und 20 Uhr in der Schule erreichbar wären.
4.c Schweren Herzens opfern Sie Ihre Pause für das Gespräch, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.
4.d Sie lassen dem Vater mitteilen, er möge sich gleich an den Schulleiter wenden.

5.    Auf Umwegen wird Ihnen zugetragen, dass Kollegin Y schon wiederholt mit Ihrer Klasse über Ihre „viel zu autoritären“ Unterrichtsmethoden diskutiert hat. Was tun Sie?

5.a Gar nichts – soll sie doch reden, worüber sie will!
5.b Sie führen im Gegenzug ein Gespräch mit Ihren Schülern über Frau Y.
5.c Sie vereinbaren mit dieser Lehrkraft einen Gesprächstermin und machen ihr ultimativ klar, dass Sie ihr Verhalten nicht hinnehmen.
5.d Sie beschweren sich gleich über die Kollegin beim Schulleiter.

6.    Sie haben die Hefte Ihrer Klasse eingesammelt und korrigiert. In einigen Fällen haben Sie unzureichende und schlampige Einträge durchgestrichen und mit dem Vermerk „nochmals“ versehen. Einer dieser Schüler legt Ihnen in der Folgestunde seine Unterlagen vor. Darin findet sich nach Ihrem Auftrag eine Notiz des Vaters: Er habe seinen Sohn angewiesen, den durchgestrichenen Text nicht erneut zu schreiben, da er Ihre Maßnahme für überzogen halte. Wie reagieren Sie?

6.a Gar nicht. Sollen die beiden doch selber sehen, was sie davon haben!
6.b Sie bestehen nicht auf Ihrer Anweisung, prüfen den Stoff aber in der Folge schriftlich mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass die äußere Form der Arbeit mit bewertet werde. Bei Verstößen setzen Sie die Note herab.
6.c Sie erneuern Ihre Anweisung mit der Bemerkung, dass Ihre schulischen Entscheidungen nicht zur Disposition der Eltern ständen. Widrigenfalls würden Sie zu „amtlichen“ Sanktionen (z.B. „Nachsitzen“) greifen.
6.d Sie bestellen den Vater in Ihre Sprechstunde, um ihm die Behinderung Ihrer Erziehungsarbeit vorzuhalten.

7.    Der Schüler G ist der Albtraum aller Lehrer: Dumm, frech und faul – sein Papi zudem Rechtsanwalt und Elternbeiratsvorsitzender. Dank dieser Kombination hat er es bis in Ihre Klasse geschafft. Als Sie einen schriftlichen Test abhalten, schaut er – Ihrem Eindruck nach – deutlich in die Arbeit seines Nachbarn. Wenn Sie ihm jetzt die Angabe wegnehmen und wegen „Unterschleifs“ (vulgo: Spickens) eine Sechs erteilen, können Sie sich auf einen kleinen Weltuntergang gefasst machen: Wie schon bei ähnlichen Vorkommnissen mit Kollegen werden Vater und Sohn sich lauthals beschweren. Ersterer dürfte nicht nur juristisch gegen die Schule zu Felde ziehen. Und da der junge Herr in der Klasse einen dominierenden Einfluss hat, wird er genug „Zeugen“ finden, die „nichts bemerkt“ haben. Ihr Entschluss?

7.a Da für Sie hier Aufwand und Effekt in keinem Verhältnis stehen, „übersehen“ Sie das Vorkommnis.
7.b Sie versetzen daraufhin G junior auf einen Platz, der wegen der Isolation ein weiteres Abgucken deutlich erschwert.
7.c Sie warnen ihn ultimativ vor weiteren Blicken zum Nachbarn und erteilen Ihm im Wiederholungsfall einen Spicksechser.
7.d Da er nach Ihrem Eindruck klar abschreiben wollte, kriegt er diese Sanktion sofort.

Halt, Sie wollen doch nicht selber spicken? Erstmal schön die Aufgaben bearbeiten!

Lösungen:

1.    Verspätung:
1.d zeugt von Souveränität und Ruhe und ist daher die beste Lösung. Ganz kurzfristige Krankmeldungen (1.a und b) kommen bei Schulorganisatoren schlecht an – und die erstellen Ihren nächsten Stundenplan! 1.c billigt den Schülern eine Gleichrangigkeit zu, die gefährlich werden kann. Unpünktliche Schüler haben sich bei Ihnen zu entschuldigen – nicht umgekehrt!
2.    Pausengestaltung:
An einem Tag mit so vielen Stunden brauchen Sie die unterrichtsfreie Zeit unbedingt zum Abschalten – daher ist Rückzug angesagt: 2.c. Alle anderen Varianten führen zu einer Stress-Steigerung, die Sie in solchen Situationen überhaupt nicht brauchen können!
3.    Kollegialer Sonderwunsch:
Möglichkeit 3.c ist völlig für die Katz – einen unheilbaren Chaoten können Sie nicht therapieren, sondern lediglich Ihre Zeit verschwenden! 3.a bringt Ihnen auch nur Stress, da Sie solche Zeitgenossen gerne in endlose Diskussionen verwickeln, bis Sie endlich „weich gekocht“ sind oder noch Ärger abkriegen. 3.d ist unprofessionell – wenn Sie die Stunde brauchen, müssen Sie diese auch halten! Alternative 3.b bringt noch am meisten: Wenn der Kollege sich nicht an Zusagen hält, warum sollten Sie es tun? Und wenn er dann wütend in der Klasse erscheint und seine Stunde fordert, steht er vor den Schülern als Unsympath da und nicht Sie – zudem besteht die Hoffnung, dass Sie nach diesem Erlebnis mit Ansprüchen verschont werden!

4.    Dringender Elternanruf:
Es schlägt nur dann bei Ihnen ein, wenn Sie zu nahe am Blitzableiter stehen – also keinesfalls selber ans Telefon gehen (4.a/4.c)! Wenn Sie den Vater zum Chef umleiten, erhöhen Sie grundlos seinen Rang (4.d) – keine Angst, darauf kommt der Herr im Zweifel leider auch allein… 4.b dagegen bewirkt, dass er Ihnen keine Verweigerung des Gesprächs vorwerfen kann – und dennoch bleibt Ihnen die persönliche Debatte höchstwahrscheinlich erspart. (Keine Bange: Ärger werden Sie in jedem Fall kriegen – aber so minimieren Sie wenigstens Ihren Arbeitsaufwand…)

5.    Kritik von Kollegin Y:
Hierbei handelt es sich um eine ernsthafte Attacke auf Ihre Ranghöhe, da sich die Dame den Schülern gegenüber als Ihnen übergeordnet darstellt. Nachdem dies schon mehrfach passierte, kann man auch nicht von einem „Ausrutscher“ ausgehen, sondern von einer längerfristigen Strategie. Dies sollten Sie nicht tatenlos hinnehmen (5.a). Beteiligen Sie die Schüler (5.b), so billigen Sie diesen eine „Schiedsrichterrolle“ zu, was gar nicht geht. Gleich zum Chef zu rennen, bringt Ihnen den Vorwurf des Querulantentums ein, wobei Sie sich zudem einem höheren Urteil unterstellen (5.d)! Überdies dürfte es dort auf ein kalorienarmes „Sowohl-als-auch-Gesabbel“ hinauslaufen... Hier hilft nur der direkte Rangordnungskampf (5.c) – weitere Konsequenzen ja nicht ausgeschlossen!

6.    Väterlicher Hefteintrag:
Dieses Verhalten von Eltern ist wirklich eine unsägliche Zumutung! Was würden die eigentlich sagen, wenn Sie sich per Anweisung ins familiäre Privatleben einmischten? Sie können diesen Eingriff in Ihre schulische Kompetenz nicht tatenlos hinnehmen (6.a). Wenn Sie dem Schüler mit offiziellen Sanktionen drohen (6.c), stürzen Sie ihn in einen Loyalitätskonflikt – seinen eventuell noch vorhandenen guten Willen erledigen Sie so endgültig. Und die Sprechstunde (6.d)? Wenn ein Vater sich derartiges erdreistet, wird er entweder gar nicht erscheinen oder die Gelegenheit ergreifen, sich bei Ihnen nochmal als „pädagogischer Robin Hood“ aufzuspielen. Viel Vergnügen! Die beste der schlechten Möglichkeiten: Sie reduzieren das Problem auf seinen Kern: Mit schlampiger Darstellung wird die Leistung gemindert – und der schlechten Note muss dann der Vater hinterherhecheln: Lösung 6.b.

7.    Prominenter Abschreiber:
Wenn Sie die Sache übersehen (7.a), fällt Ihr Ansehen ins Bodenlose – nicht nur beim Schüler G, sondern wegen Ihres Kneifens vor allem vor der restlichen Klasse, bei der G mit seiner „Heldentat“ hinterher angeben dürfte. Bei 7.b ermöglichen Sie eine juristische Debatte: Hat er nun gespickt oder nicht? Im ersten Fall hätten Sie ihm die Sechs geben müssen, ansonsten haben Sie einen „Unschuldigen“ während der Arbeit gestört und diskriminiert. (Und was, wenn die Sache bei den anderen Schülern Mode wird? Haben Sie so viele freie Plätze?)  7.c und 7.d sind gleichwertige Lösungen: Wenn Sie G sofort abstrafen, ist das eine Tatsachenentscheidung, gegen welche der Vater rechtlich keine Chance hat. Bei einem Rest an Zweifel können Sie genauso gut eine letzte Warnung aussprechen und dann umso überzeugender die Sanktion verhängen. Den folgenden Ärger müssen Sie eben aushalten. Zum Trost: Selbst wenn Papi Ihren Chef „weich klopfen“ sollte, hat dieser es, je nach betreffender Schulordnung, auch nicht ganz leicht, Ihren Spicksechser per Dienstanweisung zu kassieren (und kriegt eventuell noch Probleme mit dem Kollegium). Und das Schönste: Ihr mutiges Eingreifen wird sich herumsprechen und Ihnen auf längere Sicht Schwierigkeiten dieser Art ersparen…

Feedback:

Wahrscheinlich sind Sie bei einzelnen (vielleicht sogar allen) Fragen zu anderen Lösungen gekommen oder hatten sogar eine ganz andere Idee, das jeweilige Problem zu lösen. Prima, Gratulation!

Schlimmer wäre es, wenn Sie meine Vorschläge relativiert hätten nach dem Motto „kommt halt darauf an“, „müsste man noch genauer klären“ oder gar „würde ich erst mit Kollegen besprechen“. Bedenken Sie den anfänglich zitierten Manager-Spruch und entscheiden Sie rasch, klar und sicher! Ob es – nachträglich betrachtet – vielleicht geeignetere Varianten gegeben hätte, ist dem gegenüber unbedeutend. Das Schlimmste in der Erziehung besteht darin, Probleme zu verschleppen und nach längerer Haarspaltung jegliche Option eines adäquaten Verhaltens zu verspielen.

Fazit: Seien Sie kein „Mamüma-Lehrer“ („man müsste mal“)!

P.S. Schleichwerbung: Weitere Testfragen sowie natürlich Kapitel zu den Hintergründen (z.B. Entscheidungsverhalten, Zeitmanagement) finden Sie in meinem Buch „Der bitterböse Lehrer-Retter“!