„Sprichwort:
Im (Fisch)kopf ist das leicht verderbliche Hirn. Dort fängt der
Fisch zuerst an zu stinken.“
Der im letzten Artikel beschriebene Ablauf einer ziemlich heftigen Elternbeschwerde bezog ja schon eine wichtige Instanz mit ein: den Schulleiter (wegen der paar Prozent Frauen in diesem Job lohnt eine Gender-Correctness nicht).
Der im letzten Artikel beschriebene Ablauf einer ziemlich heftigen Elternbeschwerde bezog ja schon eine wichtige Instanz mit ein: den Schulleiter (wegen der paar Prozent Frauen in diesem Job lohnt eine Gender-Correctness nicht).
Hinsichtlich
dieser Person habe ich in solchen Fällen einen ziemlich stereotypen Ablauf
erlebt, der es fraglich macht, ob ich bei meinen Erfahrungen stets an Zufälle
geraten bin:
·
Während
man mit einem eigenen Anliegen oft tagelang auf einen Termin beim Chef warten
muss, werden querulierende Eltern gern gleich telefonisch durchgestellt, statt
dass man sie zunächst an die zuständige Lehrkraft verweist oder erstmal
warten lässt, bis sie sich etwas abgekühlt haben. So wird auch der windigste
Firlefanz gleich zur „Chefsache“ aufgeblasen – die einschlägigen
Dramatisierungen inklusive.
·
Der
arme Schulmeister wird bei solch „hochwichtigen“ Affären dann oft unverzüglich
vom Flur ins Direktorat gezerrt: „Gut,
dass ich Sie gerade sehe – wir müssten mal was Dringendes besprechen.“
Merke: Elternwünsche haben stets Vorrang! Übrigens besteht zwischen der Hektik
der Sachbehandlung und der Wichtigkeit des Vorfalls keinerlei Relation: Es muss
keine Note Fünf im Abitur sein – es reicht durchaus, wenn Sie einen
„Turnbeutelvergesser“ zum Aufräumen der Gymnastikmatten verdonnert haben:
Hauptsache, die Erziehungsberechtigten sind empört genug!
·
A
priori spricht ein solches Vorkommnis schon mal gegen den Lehrer, was man oft
schon unter Augenbrauenrunzeln als ersten Satz vernimmt: „Der Vater des Schülers … hat vorhin angerufen und sich über Sie
beklagt.“ Merke: Einem guten Lehrer passiert so etwas nicht – und nun
machen Sie Ihrem Direktor mit der „leidigen
Angelegenheit“ auch noch Arbeit!
·
Nicht,
dass Sie nun glauben, bei der anschließenden Unterredung ginge es um die
Berechtigung oder gar den Sinn Ihrer Maßnahme! Ziel ist einzig und allein die „Wahrung des schulischen Friedens bzw.
Ansehens“ – vulgo, die Eltern sollen genügend beruhigt werden, um von
weiteren Attacken abzulassen. Zugeständnisse Ihrerseits werden als
selbstverständlich vorausgesetzt – eine geeignete Lehrkraft beharrt eben nicht
stur auf Ihrem Standpunkt, und mag der noch so richtig sein!
·
Zu
oft kommt es schließlich dazu, dass Ihre ursprüngliche Entscheidung relativiert
oder gar storniert wird. Mit der Folge, dann als Lehrer zu gelten, dessen
Anweisungen nicht ernst zu nehmen sind, dürfen Sie alleine fertig werden – oder
mit der berühmten „Schere im Kopf“, lieber inkonsequent zu sein als die nächste
Beschwerde am Hals zu haben.
Ich
war wohl in meinem Berufsleben (vielleicht am Anfang mehr als gegen Ende) das,
was man einen „strengen Lehrer“ nennt. Der Grund dafür könnte nicht zuletzt darin
liegen: Während zu meiner eigenen Schulzeit Lehrer „Halbgötter“ waren (der Chef
natürlich das Doppelte), hatten sich die Machtverhältnisse
in meiner Referendarzeit schon ziemlich umgekehrt. Der typische Seminarlehrer
warf dann im Notfall lieber seine Leute den Schülern zum Fraß vor, auf dass sie
ihn selber in Ruhe ließen. Sehr bald wurde mir klar:
Wir Lehrer haben den
Rücken frei, denn hinter uns steht niemand mehr.
Am
besten war es, seine Entscheidungen im Alleingang
durchzudrücken – auf Hilfe „von oben“ sollte man sich lieber nicht verlassen.
Da wird man dann im Unterricht schon mal etwas lauter und entschlossener, als
einem wirklich zumute ist…
Was
ist der Hintergrund des ganzen Dilemmas? Wir könnten hierzu natürlich eine
Vielzahl gesellschaftlicher Faktoren diskutieren, um hernach festzustellen, dass
wir diese nicht ändern werden. Ich möchte mich dagegen auf einen Punkt
konzentrieren, der – zumindest nach meinen Erfahrungen – ziemlich maßgeblich für die zunehmende
Frustration und „innere Emigration“ in der Lehrerschaft ist:
Die meisten Schulen
werden von Personen geleitet, die hierfür nicht sehr geeignet sind.
Wenn
Sie sich von Ihrer Ohnmacht wieder erholt haben, möchte ich Ihnen gerne typische Persönlichkeitsstrukturen und
Verhaltensweisen von Menschen beschreiben, die gemeinhin an die Spitze von Bildungsinstituten
führen:
·
Diese
Personen weisen fast immer ein exzellentes Fachwissen auf, was durch beste
Noten im ersten und zweiten Staatsexamen dokumentiert wird.
·
In
ihrer schulischen Karriere fallen sie durch höchst innovativen (vielleicht
nicht immer effektiven) Unterricht auf und machen sich einen Namen durch
Beteiligung an allen möglichen klassen- und schulübergreifenden Projekten.
·
Sie
zeichnen sich durch hohe kommunikative Kompetenz aus, welche sie vielleicht
nicht ganz altruistisch, sondern durchaus zum Verfolgen des eigenen Fortkommens
einsetzen. Daher erhalten sie beste Beurteilungen, was ja zur Berufung auf eine
solche leitende Position unabdingbar ist.
·
Sie
gehören zum Typus des „24-Stunden-Lehrers“: Die Schule ist ihr einziger Lebensinhalt,
sie verbringen dort mehr als die Hälfte des Tages, was natürlich ihren
Vorgesetzten sehr positiv auffällt.
·
Sie
denken und handeln „mainstream“ unter steter Beachtung einer größtmöglichen
Zustimmung für ihre Aktivitäten. Fällt diese zu gering aus, können sie ihre
Inhalte ziemlich flexibel und ohne schlechtes Gewissen variieren. Konflikten
mit Gleich- oder Höherrangigen gehen sie aus dem Weg. Ein „Querkopf“ oder gar
„Rebell“ sind sie niemals.
Stellt
man eine solche Person an die Spitze eines Instituts mit einer eher
vierstelligen Schülerzahl, beginnen die obigen
Eigenschaften sich (weiter) zum
Negativen zu entwickeln:
·
Da
sie auf Grund ihrer professionellen Leistungen sowieso zu einem gewissen „Primusdenken“
neigen, verfestigt sich die Einstellung, nun aber auch wirklich alles Schulische
besser beurteilen zu können als der Rest.
·
Eingedenk
ihrer eigenen Aktivitäten ist ihnen ein Kollegentypus, der seine Arbeit auf den
Unterricht konzentriert (und mag der noch so wirkungsvoll sein) ein Gräuel – „Aktivitätsepileptiker“, „Sozialarrangeure“ und "Grillfestorganisatoren" haben da mehr Chancen.
·
Ihre
Neigung, das Leben außerhalb der Schule zu ignorieren, setzt sich weiter fort
mit dem Ergebnis, dass sie zum „Workaholic“ werden - in der Endphase getrieben
von der Überzeugung, dass sie unersetzlich sind und ohne sie nichts mehr geht.
·
Hieraus
resultieren schwerste Mängel in der Fähigkeit, Aufgaben zu delegieren: Wenn,
dann erfolgt dies höchstens aus totaler Arbeitsüberlastung, und beim geringsten
Zweifel mischt man sich wieder ein und demonstriert dem Untergebenen, dass er
es „halt nicht kann“ – was zumindest auch ein Grund für die fortschreitende
Unselbstständigkeit in der Lehrerschaft ist.
·
Der
„Mainstream-Zwang“ weitet sich aus: Entscheidungen von Lehrkräften werden
weniger auf ihre Richtigkeit denn ihre Popularität geprüft. Konflikte scheut
man wegen des „großen Ganzen“ mehr denn je – und Eltern können halt mehr Ärger
machen als Lehrer, welche man ja notfalls per Dienstrecht in den Griff kriegt.
·
Natürlich
ist es wahr, dass die Bildungsministerien sich alle Mühe geben, Direktoren mit
jeder Menge Erlassen und Anweisungen zu beschäftigen – ebenso stimmt es aber
auch, dass kaum ein Chef es wagt, unsinnigen Formularmüll einmal liegen zu
lassen. Wie gesagt: Rebellen sind sie nicht, und mit steigender Position wächst
die Angst vor dem Absturz.
·
Wegen
all der Arbeitsüberlastung müssen die Leiter größerer Schulen meist keinen oder
kaum noch selber Unterricht geben. Nach einiger Zeit wandelt sich daher ihre
Berufsauffassung völlig: Sie sind kein Lehrer mehr, sondern Verwaltungsbeamter.
Ob dies nun ihr Motiv für die Bewerbung um einen Chefposten war oder nicht: Das
Verständnis für die Probleme „an der Front“ geht verloren. Man vergisst, wie
leicht man dort straucheln kann und wie nötig dann eine Rückendeckung wäre.
Ich hätte mir in
meinen Berufsleben mehr Schulleiter gewünscht, die
·
ruhig
hätten schlechtere Staatsexamensnoten haben können. Hochgestochenes akademisches
Wissen oder pädagogische Definitionen spielen im Klassenzimmer kaum eine Rolle,
bei der Leitung einer Bildungseinrichtung gar keine.
·
in
erster Linie Meister des Unterrichtens sind und dies auch weiterhin tun – als Vorbild
für ihre Lehrer.
·
das
unterrichtsferne Schaufenster-Getütere in Form von „Projekten“ und „Schulinnovations-Geschwätz“
in Grenzen halten zugunsten des Fokus darauf, wie man den Schülern wichtige
Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln kann.
·
wissen,
an wen sie welche Aufgaben vertrauensvoll delegieren können – und ihn dann auch
machen lassen.
·
nach
außen und oben hin Courage zeigen und unpopuläre Entscheidungen vertreten, wenn
sie von deren Richtigkeit überzeugt sind.
·
wissen,
dass es ein Leben außerhalb der Schule gibt, und intensiv daran teilnehmen –
auch, wenn das „Forum Schulentwicklung“ dann einmal ausfallen sollte...
·
sich
bei Attacken auf ihre Lehrer nicht als „neutraler Moderator“ gerieren, sondern
sich daran erinnern, dass die Lehrkräfte ihre Kollegen sind – und nicht nur waren.
Dies
alles dürfte in vielen Ohren hart klingen. Man muss aber wissen, dass
Direktoren an ihrer Schule eine sehr
weitgehende Entscheidungsbefugnis haben. Wenn es daher in einer solchen
Einrichtung müffelt, sollte man die Geruchsquelle nicht im Klassenzimmer suchen...
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenDanke für Ihren Kommentar, den ich sehr interessant fand. Wunschgemäß habe ich ihn gelöscht. Bedenken Sie bitte, dass ich solche Anmerkungen erst nach vorläufiger Freischaltung vollständig lesen kann - eine halbe Minute war er also online.
LöschenBitte benutzen Sie für private Mitteilungen meine Mailadresse (siehe Website)!
Beste Grüße
Gerhard Riedl
Gerade habe ich einmal bei Google das Folgende eingegeben: "Bayerischer Schulleiter protestiert gegen G 8" - Fehlanzeige, keine einschlägigen Treffer!
AntwortenLöschenFür mich ein gutes Beispiel: Ich durfte selber erleben, welche "Spitzkehren" Direktoren damals vollzogen - zwischen dem Mitlaufen bei Protestdemos und dem Bekenntnis, man müsse sich "den neuen Herausforderungen stellen", lagen nur Wochen.
Wahrlich, zum Heldentum neigen Schulleiter nicht. Ich bin immer noch fest davon überzeugt: Hätten damals auch nur 20 Prozent der Herrschaften den Arsch in der Hose gehabt, sich öffentlich gegen diesen Stoiber-Wahnsinn zu stellen, hätten wir in Bayern noch das G 9!