Freitag, 8. Januar 2016

Es riecht nach Kölnisch Wasser



Ich habe wahrlich keine Lust, einen Beitrag zur „hohen Politik“ und schon gar nicht zur Flüchtlings- oder Ausländerproblematik zu schreiben. Das Thema ist schwierig und vielschichtig, und ich äußere mich nicht auf Gebieten, wo mir profunde Kenntnisse fehlen.

Als ich allerdings die Auftritte des Kölner Polizeipräsidenten ansah, wurde ich sehr wütend. Diesen Typus von Chef kenne ich auch aus meinem Berufsleben: Dem Mann ist seine Achselnässe nach oben verrutscht und in Mimik und Gestik gelandet. Das sind dann Vorgesetzte, welche an Schulen ihren Verbalradikalismus in Lehrerkonferenzen ausleben: Da werden beispielsweise die Kollegen aufgefordert, das Rauchverbot an der Bushaltestelle vor dem Bildungsinstitut stringent durchzusetzen, selber allerdings steuert man lieber mit seinem Wagen den Direktoratsparkplatz vor dem Hintereingang an. Schlimmer noch: Ist ein Lehrer dann tatsächlich so blöd, sich mit einem Delinquenten anzulegen und darob Beleidigungen oder Schlimmeres an den Kopf geworfen kriegt, beginnt hinter ihm der lautlose Rückzug: Härtere Ordnungsmaßnahmen oder gar ein Verfahren vor dem Disziplinarausschuss? Man muss doch Frieden sowie Ruf der Schule bedenken – und wahrscheinlich sei der Kollege halt mangels pädagogischen Fingerspitzengefühls übers Ziel hinausgeschossen…

Kennzeichnend für solche Schul- oder Polizeidirektoren ist ihre Fähigkeit, sich zu Tode zu lavieren: Da derzeit der Wind via Bundes- und Landesinnenminister plus Presse in die Gegenrichtung umgeschlagen hat, muss nun eine 80-köpfige Sonderkommission herhalten und recherchieren auf Deibel komm raus, um der empörten Öffentlichkeit zumindest eine Handvoll „Tatverdächtige“ präsentieren zu können, die man auf dem Kölner Bahnhofsplatz vor einigen Tagen zwar nicht bequem, aber doch hätte einsammeln können. Ich wage die Voraussage: Kaum einem davon wird man aufgrund verwackelter Handyfotos oder ungenauer Zeugenaussagen rechtskräftig einen Strick drehen können – zumal die Kölner Justiz ja für ihre „Härte“ bundesweit bekannt ist. Was man vor Ort versaubeutelt, kann man am grünen Tisch nicht retten. Dennoch: Die homöopathischen Globuli fürs aufgebrachte Volk werden es tun – und hoffentlich kommt bald eine andere Katastrophe, welche die Sendezeiten füllt. Reichlich 4711 aus der Domstadt wird den Gestank rechtzeitig vor Karneval vertreiben.

Wie kann es eigentlich sein, dass rund zweihundert eingesetzte Polizisten es nicht schaffen, gegenüber einem besoffenen Pöbel auch nur eine einzige Festnahme hinzubekommen, ja nicht einmal viele der angegriffenen Frauen wirksam schützen konnten? Immerhin wurde ja wohl ein Platzverweis ausgesprochen – insofern hätte man ziemlich wahllos zumindest mal ein Dutzend Unruhestifter in Polizeigewahrsam verfrachten können – und das hätte sich via Smartphone dann schon herumgesprochen! Und was den pyromanischen Irrsinn betrifft: Gibt es die Wasserwerfer, welche das Pulver nicht trocken gehalten hätten, nur für linke Demonstranten, oder war winterbedingt der Inhalt eingefroren?

Von deren Gewerkschaftsvertretern kommt auch nicht viel mehr als der bedingte Reflex, mal wieder mehr Planstellen zu fordern. Seltsamerweise waren beim G7-Gipfel im letzten Jahr locker 20000 Beamte verfügbar, da wurde tagelang auch noch der letzte Gulli verschweißt – während man die Verteidigung des Asylbewerberheims im sächsischen Freital gerade mal zwölf Hanseln überließ. Festnahmen: natürlich ebenfalls keine. Es fällt schon schwer, hier lediglich an völlige organisatorische Inkompetenz zu glauben. Und dem Staat gelingt es ebenfalls nicht, millionenschwere Fußballvereine zur Finanzierung der Kosten heranzuziehen, die wöchentlich bei der Bändigung ihrer halbirren „Fans“ anfallen.

Beamte lassen gerne in dem Moment ihre Überzeugungen fallen, wenn sie (per Beförderung) in die Lage versetzt werden, diese zu verwirklichen! Aus meinem Beruf kenne ich die Installation der berüchtigten „Schere im Kopf“ zur Genüge: Sich ja nicht angreifbar machen, keine Beschwerde riskieren, das gibt dann wieder stundenlange Schreibarbeit… Ja, wenn der keinen Ausweis hat, wie soll man dann seine Personalien feststellen? Wenn die Erfordernis, Frauen vor Sexualdelikten und Raub zu bewahren, keine „Gefahr im Verzug“ darstellt und somit ein resolutes Durchgreifen rechtfertigt, weiß ich nicht, worauf der berühmte Begriff aus der Strafprozessordnung dann noch anwendbar wäre!

Not kennt kein Gebot – und wenn daher in einem solchen Chaos einmal ein blaues Auge mehr anfallen sollte, haben die Beamten Vorgesetzte verdient, die hinter ihnen stehen und sie verteidigen. Damit will ich keine Polizeiübergriffe, die es ja auch gibt, rechtfertigen – auf der anderen Seite nützen aber auch mit Uniform verkleidete Sozialarbeiter nicht wirklich etwas, die dann noch über „fehlenden Respekt“ jammern. Aus meiner Schulpraxis weiß ich: Respekt bekommt man nicht einfach – man muss ihn sich verschaffen.

Besonders drollig finde ich dann die Bekenntnisse von Schreibtischseite, diese Zwischenfälle habe man so nicht erwarten können. Im Gegenteil: Befürchten musste man so etwas schon lange – vielleicht nicht so, aber in der Tendenz sehr wohl! Beispielsweise hätte man einmal das Buch der griechischstämmigen Beamtin Tania Kambouri lesen können: „Deutschland im Blaulicht: Notruf einer Polizistin“. Bereits vor zwei Jahre hatte sie per Leserbrief in der Zeitung der Polizeigewerkschaft auf die Problematik „junger Männer aus muslimisch geprägten Ländern“ aufmerksam gemacht. Der Innenminister, welcher heute wieder das Versagen seiner Polizeiführung zu vertreten hat, hatte damals bei einer Podiumsdiskussion gesagt: „Ich verstehe die Kollegin gut.“ Geändert hat das offenbar nichts – aber gut, dass wir mal darüber gesprochen haben.

Helfen würde die Konfrontation mit der Realität. Schon oft habe ich meine Forderung vertreten, Schulleiter müssten selber noch Unterricht geben, weil sie sonst den Eindruck verlieren, was es heißt, vor dreißig überdrehten Kids zu stehen. Und daher halte ich auch nichts vom Rücktritt von Polizeipräsidenten, sehr wohl aber etwas von deren gelegentlicher Abordnung zum nächtlichen Streifendienst in einem Problemviertel. Dies würde bei der Gruppe der Schreibtischsessel-Anwärmer im Höheren Dienst generell für realistischere Entscheidungen sorgen – und nicht für das modische Parfümieren von Desastern mit dem Duftwasser aus der Glockengasse.

Und das Schlimmste: Diese Ereignisse werden denjenigen Auftrieb geben, welche schon längst mit der Formel „Ausländer = Verbrecher“ hausieren (oder brandstiften) gehen.

Heute war zu vernehmen, das Kölner Polizeipräsidium habe für Silvester immerhin drei Hundertschaften zur Verstärkung von außerhalb angefordert, aber nur zwei bekommen. Und – jetzt lachen Sie nicht – so eine Hundertschaft besteht aus 80 Mann! (Reprisen-Gag: Inzwischen lese ich, deren damalige Stärke habe bei 38 Beamten gelegen nix Genaues weiß man offenbar immer noch nicht...) Nun noch der Obergag: Nein, nach neuesten Meldungen hat die Polizeidirektion Köln selber die dritte Hundertschaft abgelehnt!

P.S. Das Buch von Frau Kambouri ist wirklich – auch für Lehrer – sehr  empfehlenswert:
http://www.amazon.de/Deutschland-Blaulicht-Notruf-einer-Polizistin-ebook/dp/B013WXSTCW/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1452207904&sr=1-1&keywords=tania+kambouri

P.P.S. Nun wurde der Kölner Polizeipräsident in den einstweiligen Ruhestand versetzt, d.h. er wird künftig auch offiziell fürs Nixtun bezahlt. Mein Vorschlag, ihn zum Streifendienst abzuordnen, war eh verfehlt: Der studierte Jurist hat offenbar keine Polizeiausbildung; laut Wikipedia tat er nach dem Staatsexamen in der Bezirks- und später Landesregierung Dienst und wurde dann Polizeipräsident in Bonn, wo er Personal abbaute. In der Schutzpolizei war er wohl nie tätig!

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