Ich
habe wahrlich keine Lust, einen Beitrag zur „hohen Politik“ und schon gar nicht
zur Flüchtlings- oder Ausländerproblematik zu schreiben. Das Thema ist
schwierig und vielschichtig, und ich äußere mich nicht auf Gebieten, wo mir
profunde Kenntnisse fehlen.
Als
ich allerdings die Auftritte des Kölner Polizeipräsidenten ansah, wurde ich
sehr wütend. Diesen Typus von Chef kenne ich auch aus meinem Berufsleben: Dem
Mann ist seine Achselnässe nach oben verrutscht und in Mimik und Gestik
gelandet. Das sind dann Vorgesetzte, welche an Schulen ihren Verbalradikalismus
in Lehrerkonferenzen ausleben: Da werden beispielsweise die Kollegen
aufgefordert, das Rauchverbot an der Bushaltestelle vor dem Bildungsinstitut
stringent durchzusetzen, selber allerdings steuert man lieber mit seinem Wagen
den Direktoratsparkplatz vor dem Hintereingang an. Schlimmer noch: Ist ein
Lehrer dann tatsächlich so blöd, sich mit einem Delinquenten anzulegen und
darob Beleidigungen oder Schlimmeres an den Kopf geworfen kriegt, beginnt
hinter ihm der lautlose Rückzug: Härtere Ordnungsmaßnahmen oder gar ein
Verfahren vor dem Disziplinarausschuss? Man muss doch Frieden sowie Ruf der
Schule bedenken – und wahrscheinlich sei der Kollege halt mangels pädagogischen
Fingerspitzengefühls übers Ziel hinausgeschossen…
Kennzeichnend
für solche Schul- oder Polizeidirektoren ist ihre Fähigkeit, sich zu Tode zu
lavieren: Da derzeit der Wind via Bundes- und Landesinnenminister plus Presse
in die Gegenrichtung umgeschlagen hat, muss nun eine 80-köpfige
Sonderkommission herhalten und recherchieren auf Deibel komm raus, um der
empörten Öffentlichkeit zumindest eine Handvoll „Tatverdächtige“ präsentieren
zu können, die man auf dem Kölner Bahnhofsplatz vor einigen Tagen zwar nicht bequem,
aber doch hätte einsammeln können. Ich wage die Voraussage: Kaum einem davon
wird man aufgrund verwackelter Handyfotos oder ungenauer Zeugenaussagen
rechtskräftig einen Strick drehen können – zumal die Kölner Justiz ja für ihre „Härte“
bundesweit bekannt ist. Was man vor Ort versaubeutelt, kann man am grünen Tisch
nicht retten. Dennoch: Die homöopathischen Globuli fürs aufgebrachte Volk werden
es tun – und hoffentlich kommt bald eine andere Katastrophe, welche die
Sendezeiten füllt. Reichlich 4711 aus der Domstadt wird den Gestank rechtzeitig
vor Karneval vertreiben.
Wie
kann es eigentlich sein, dass rund zweihundert eingesetzte Polizisten es nicht
schaffen, gegenüber einem besoffenen Pöbel auch nur eine einzige Festnahme
hinzubekommen, ja nicht einmal viele der angegriffenen Frauen wirksam schützen
konnten? Immerhin wurde ja wohl ein Platzverweis ausgesprochen – insofern hätte
man ziemlich wahllos zumindest mal ein Dutzend Unruhestifter in
Polizeigewahrsam verfrachten können – und das hätte sich via Smartphone dann
schon herumgesprochen! Und was den pyromanischen Irrsinn betrifft: Gibt es die
Wasserwerfer, welche das Pulver nicht trocken gehalten hätten, nur für linke
Demonstranten, oder war winterbedingt der Inhalt eingefroren?
Von
deren Gewerkschaftsvertretern kommt auch nicht viel mehr als der bedingte
Reflex, mal wieder mehr Planstellen zu fordern. Seltsamerweise waren beim
G7-Gipfel im letzten Jahr locker 20000 Beamte verfügbar, da wurde tagelang auch
noch der letzte Gulli verschweißt – während man die Verteidigung des
Asylbewerberheims im sächsischen Freital gerade mal zwölf Hanseln überließ.
Festnahmen: natürlich ebenfalls keine. Es fällt schon schwer, hier lediglich an
völlige organisatorische Inkompetenz zu glauben. Und dem Staat gelingt es
ebenfalls nicht, millionenschwere Fußballvereine zur Finanzierung der Kosten
heranzuziehen, die wöchentlich bei der Bändigung ihrer halbirren „Fans“
anfallen.
Beamte
lassen gerne in dem Moment ihre Überzeugungen fallen, wenn sie (per
Beförderung) in die Lage versetzt werden, diese zu verwirklichen! Aus meinem
Beruf kenne ich die Installation der berüchtigten „Schere im Kopf“ zur Genüge:
Sich ja nicht angreifbar machen, keine Beschwerde riskieren, das gibt dann
wieder stundenlange Schreibarbeit… Ja, wenn der keinen Ausweis hat, wie soll
man dann seine Personalien feststellen? Wenn die Erfordernis, Frauen vor
Sexualdelikten und Raub zu bewahren, keine „Gefahr im Verzug“ darstellt und
somit ein resolutes Durchgreifen rechtfertigt, weiß ich nicht, worauf der
berühmte Begriff aus der Strafprozessordnung dann noch anwendbar wäre!
Not
kennt kein Gebot – und wenn daher in einem solchen Chaos einmal ein blaues Auge
mehr anfallen sollte, haben die Beamten Vorgesetzte verdient, die hinter ihnen
stehen und sie verteidigen. Damit will ich keine Polizeiübergriffe, die es ja
auch gibt, rechtfertigen – auf der anderen Seite nützen aber auch mit Uniform
verkleidete Sozialarbeiter nicht wirklich etwas, die dann noch über „fehlenden
Respekt“ jammern. Aus meiner Schulpraxis weiß ich: Respekt bekommt man nicht
einfach – man muss ihn sich verschaffen.
Besonders
drollig finde ich dann die Bekenntnisse von Schreibtischseite, diese Zwischenfälle habe man so nicht
erwarten können. Im Gegenteil: Befürchten musste man so etwas schon lange –
vielleicht nicht so, aber in der
Tendenz sehr wohl! Beispielsweise hätte man einmal das Buch der
griechischstämmigen Beamtin Tania
Kambouri lesen können: „Deutschland
im Blaulicht: Notruf einer Polizistin“. Bereits vor zwei Jahre hatte sie per
Leserbrief in der Zeitung der Polizeigewerkschaft auf die Problematik „junger Männer aus muslimisch geprägten
Ländern“ aufmerksam gemacht. Der Innenminister, welcher heute wieder das
Versagen seiner Polizeiführung zu vertreten hat, hatte damals bei einer Podiumsdiskussion
gesagt: „Ich verstehe die Kollegin gut.“
Geändert hat das offenbar nichts – aber gut, dass wir mal darüber gesprochen
haben.
Helfen
würde die Konfrontation mit der Realität. Schon oft habe ich meine Forderung
vertreten, Schulleiter müssten selber noch Unterricht geben, weil sie sonst den
Eindruck verlieren, was es heißt, vor dreißig überdrehten Kids zu stehen. Und
daher halte ich auch nichts vom Rücktritt von Polizeipräsidenten, sehr wohl
aber etwas von deren gelegentlicher Abordnung zum nächtlichen Streifendienst in
einem Problemviertel. Dies würde bei der Gruppe der Schreibtischsessel-Anwärmer
im Höheren Dienst generell für realistischere Entscheidungen sorgen – und nicht
für das modische Parfümieren von Desastern mit dem Duftwasser aus der
Glockengasse.
Und
das Schlimmste: Diese Ereignisse werden denjenigen Auftrieb geben, welche schon
längst mit der Formel „Ausländer =
Verbrecher“ hausieren (oder brandstiften) gehen.
Heute
war zu vernehmen, das Kölner Polizeipräsidium habe für Silvester immerhin drei
Hundertschaften zur Verstärkung von außerhalb angefordert, aber nur zwei
bekommen. Und – jetzt lachen Sie nicht – so eine Hundertschaft besteht aus 80
Mann! (Reprisen-Gag: Inzwischen lese ich, deren damalige Stärke habe bei 38 Beamten gelegen – nix Genaues weiß man offenbar immer noch nicht...) Nun noch der Obergag: Nein, nach neuesten Meldungen hat die Polizeidirektion Köln selber die dritte Hundertschaft abgelehnt!
P.S.
Das Buch von Frau Kambouri ist wirklich – auch für Lehrer – sehr empfehlenswert:
http://www.amazon.de/Deutschland-Blaulicht-Notruf-einer-Polizistin-ebook/dp/B013WXSTCW/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1452207904&sr=1-1&keywords=tania+kambouriP.P.S. Nun wurde der Kölner Polizeipräsident in den einstweiligen Ruhestand versetzt, d.h. er wird künftig auch offiziell fürs Nixtun bezahlt. Mein Vorschlag, ihn zum Streifendienst abzuordnen, war eh verfehlt: Der studierte Jurist hat offenbar keine Polizeiausbildung; laut Wikipedia tat er nach dem Staatsexamen in der Bezirks- und später Landesregierung Dienst und wurde dann Polizeipräsident in Bonn, wo er Personal abbaute. In der Schutzpolizei war er wohl nie tätig!
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