In zwei bemerkenswerten Artikeln hat die „Süddeutsche Zeitung“ nun ein Thema
aufgegriffen, das mich schon länger beschäftigt: Um den „guten Ton“ scheint es im
„Tatort“ und anderen
Unterhaltungsproduktionen immer weniger zu gehen. Man kriegt die Dialoge
schlichtweg oft nicht mit.
Im Beitrag vom 2.6.18 gab man noch eher dem (älteren)
Zuschauer die Schuld – Stichwort ungeeignete
Empfangsgeräte plus deren Einstellung. Immerhin aber stellte man damals
schon fest, es könnte eventuell auch an den Schauspielern respektive der Aufnahmetechnik
liegen: „Im
Münchner Polizeiruf ‚Der Tod
macht Engel aus uns allen‘ aus dem Jahr 2013 waren
die Schauspieler kaum zu verstehen. Der Bayerische Rundfunk rechtfertigte die
Tonprobleme so: Die Schauspieler hätten ohne konkrete Vorgaben ‚ihren
improvisatorischen Spielimpulsen spontaner folgen‘ können.“
Zudem
ist wohl eine gute Sprechtechnik
dramaturgisch nicht mehr erwünscht, so der Sender: „Wenn Regisseure wie im Theater sprechen lassen, sind die Dialoge zwar
verständlicher, dafür leidet unter Umständen die Glaubwürdigkeit der
Inszenierung."
Folglich
legt man Wert auf „authentisch-umgangssprachliche
Dialoge, realistische Milieuschilderungen" und „dialektgefärbte Gespräche".
Im
Artikel vom 26.6.18 lässt man einen Zuschauer zu Wort kommen:
„Der Hintergrundton
überdeckt die Gespräche. Die Lautstärkewechsel (...) sind teilweise
unerträglich." An seinem Gehör allein liege es nicht, „da andere Sendungen
wie Nachrichten, Talkshows, Kommentare und Dokumentationen keine
Probleme bereiten."
Nunmehr
diskutiert man die Anpassung an die „Seherwartung
der Kernzielgruppe der 14- bis 49-Jährigen“ mit „dynamischen, kurz geschnittenen Szenenfolgen" und einer
deutlich erhöhten Erzählgeschwindigkeit. Anders ist offenbar die schwindende
Gruppe der Jüngeren nicht mehr an
der Glotze zu halten. Und die Ollen sollten halt die Untertitel zuschalten.
Offenbar
ging das Vertretern meiner Generation nun doch über die Hutschnur – heute veröffentlichte
die SZ etliche Leserbriefe zum
Thema:
Man
regte sich schon einmal auf, pauschal als „Hör-
und Sehgeschädigte beleidigt und diffamiert“ zu werden. Und weiter:
„Krimis sind bei uns
schon seit längerer Zeit gestrichen, da auch hier die Musik wahnsinnig laut,
die Dialoge meist nur genuschelt und die Bildfrequenzen meist viel zu schnell
sind.“
Und
früher ging es ja auch noch anders: „Vor
Kurzem ein neuer Tatort mit der üblichen Unverständlichkeit von einem Drittel,
unmittelbar darauf eine Tatortwiederholung von 1980
mit Bayrhammer/Fischer mit annähernd voller Verständlichkeit.“
„Müssen Wortbeiträge
mit einem Lärm (ich weigere mich, so etwas Filmmusik zu nennen) übertüncht
werden bis zur Unhörbarkeit?“
Und
auch die „authentisch-umgangssprachlichen Dialoge“ bekommen ihr Fett ab:
„Das akustische
Phänomen begann vor langer Zeit, als die Sparte Fernsehspiel sich vorgenommen
hatte, den sogenannten Theaterton und seine künstlich ausgestellte Sprache
abzuschaffen, um einer authentischen, beiläufigen Sprechweise Platz zu machen –
dem Medium durchaus angemessen; auch im Theater selbst hat das ‚uneigentliche‘
Sprechen seinen Platz gefunden. Inzwischen jedoch hat man diese Sprechweise
gnadenlos überkultiviert - die DarstellerInnen unterbieten sich geradezu darin,
ihren Ton aufs Allerbeiläufigste herunterzudimmen und jeden noch so kleinen
Spannungsbogen flachzunuscheln, wobei häufig die nicht stattgehabte
Sprechausbildung leider als Qualität behauptet wird.“
Ich gestehe, dass meine nostalgisch-positiven Erinnerungen an die Reihe „Tatort“ noch auf
Charakteren wie Hansjörg Felmy („Kommissar Haferkamp“) fußen. Seit
viele der heutigen Ermittler fast so gebrochene Typen darstellen wie die von
ihnen zu fassenden Ganoven, überzeugen mich Drehbücher und Charaktere immer
weniger. Und wenn ich immer wieder sehen muss, wie statt des SEK eine junge
Beamtin solo und mit vorgehaltener Waffe ins Verbrecherquartier stürmt, muss
ich herzlich lachen anstatt vor Spannung zu erschauern.
Und es liegt bei den Schauspielern nicht an der „natürlichen Spielweise“, sondern
schlichtweg daran, dass wohl Sprechtechnik an den Ausbildungsstätten nicht mehr
besonders ernst genommen wird. Da schließe ich mich der „FAZ“ an, welche zum
Thema schreibt: „Den Tonmeister des Films wird man für die Sprachqualität
des ‚Tatorts‘ freilich kaum verantwortlich machen können. Vielleicht wäre ein
Besuch beim Logopäden empfehlenswert.“
Zudem „tschillert“ es in vielen Produktionen – am wenigsten
übrigens beim Münsteraner „Tatort“ mit dem herrlichen „Cat and Dog“-Duo Börne und Thiel. Das Drehbuch ist so
gut, dass man es doch nicht völlig vernuscheln und mit Musik totdröhnen möchte.
Apropos:
Ohne das, was man wohl optimistisch für „Filmmusik“
hält, geht wohl gar nichts mehr. Da offenbar gerade jüngere Zuschauer die
Bedeutung eines Dialogs nicht mehr ohne Weiteres ergründen können, pfeffert man
über jeden Satz irgendein dümmliches Georgel, welches dann fallweise Dramatik,
Trauer oder Brünstigkeit transportieren soll. Der genaue Text hat dann eh keine
Chance mehr, was für manche Drehbuchautoren mit der Lebenserfahrung eines abgebrochenen
Soziologiestudiums durchaus einen Gnadenerweis bedeuten kann.
Einen
ähnlichen Effekt, den man als „Mickey
Mousing“ bezeichnet, beobachtet man übrigens verstärkt bei Dokumentationen:
„Eine Filmmusiktechnik, bei der
Geschehnisse im Film punktgenau von Musik begleitet werden. Diese oftmals stark
akzentuierten musikalischen Elemente finden in dieser Form vor allem in frühen
Zeichentrickfilmen von Walt Disney Verwendung.“
Das
hört sich dann eventuell so an:
„Die Sonne (bizzel,
sprazzel), seit Milliarden von Jahren (orgel) Zentrum unseres heimischen
Planetensystems (hui, zisch), mit der heimischen Erde als Hort unseres Lebens
(fidel), hat sich wie das gesamte Universum (orgel) seit dem Urknall (rumms,
wummer)…“
Dabei
könnte ich mir mit begrenzter Fantasie durchaus vorstellen, dass der „Big Bang“
ziemlich heftig war!
Abschließend gestehe ich gerne, ein „Sprach-Junkie“ zu sein: Gute Texte erhöhen meine
Lebenserwartung, schlechte Rhetorik
macht mich krank. Und nachdem ich mich zum Finden eines Beispielvideos durch
schlimme Miesnuschel-Sequenzen quälen musste, sei mir abschließend etwas
Kompensation erlaubt. Ja, ich weiß, total altmodisch – und vielleicht gerade
daher eine Hommage an das, was uns
Sprache geben kann: