A:
Junger Erwachsener, inzwischen längst im Beruf angekommen, hat das Gymnasium
durchlaufen
B:
Lehrerin nach vielen Dienstjahren
A:
Meine Schulerinnerungen sind leider Gottes überwiegend lausig!
B:
Warum?
A:
Die Lehrer haben es nicht geschafft, uns Schüler zu erreichen; reden vor sich
hin, keiner hört zu.
B:
Warum habt ihr nichts gesagt, nicht den Dialog gesucht?
A:
Haben wir ja. Wir hatten zwei Bücher (Lektüre) gelesen. Dann wollte die
Lehrerin ein drittes behandeln. Da habe ich mich gewehrt und gefragt, wozu?
Warum lesen wir nicht Zeitungsartikel, von denen wir wirklich was haben, die
sich auf die Realität beziehen?
B:
Was hat euch denn an den Lektüren gestört?
A:
Alte Sprache - unverständlich, Themen, die keinen Menschen interessieren…
B:
Stimmt, alte Sprache ist schwer zu verstehen, muss man teilweise schon
übersetzen. Es gibt schon Goethe als Comic, damit es jeder kapiert. Auch: Nacherzählungen
von klassischen Werken für die Jugend (z.B. „Nathan der Weise“,
„Nibelungenlied“ usw.). Ist das vielleicht doch ein Verlust? Wie beim Verlust
von genetischen Programmen durch das Aussterben von Arten… Außerdem: Wer außer
Gymnasiasten soll denn noch an die „alte“ Sprache herangeführt werden?
Stichwort: Geschichtsbewusstsein! Das ist ein Gesamtpaket: Geschichte,
Literatur – das sind doch „Werte“ unserer Kultur! Andere Völker wie die
Franzosen sind darauf stolz. Übrigens wurde neulich der Haupttempel von Palmyra
zerstört durch die IS-Leute. Machen wir das jetzt ähnlich?
A:
Natürlich nicht, aber es wird zu lange auf Lektüren herumgeritten…
B:
Kann schon sein. Frage der Schwerpunkte im Lehrplan!
A:
Eben, da muss doch Realität, das Hier und Heute rein! Wie werden denn die
Schüler auf das Leben nach der Schule vorbereitet?
B:
Das Gymnasium setzt (zumindest auf dem Papier) auf eine breite Allgemeinbildung
(altes humanistisches Prinzip) und nicht auf reines Faktenlernen.
A:
Wir haben in Biologie, Erdkunde usw. seitenweise Fakten lernen müssen.
Einzelheiten, die man sofort vergisst.
B:
Das sollte in keinem Fach so sein. Daher auch bei der Lektüre: Bücher enthalten
für mich „kondensierte Lebenserfahrung“. Am fiktiven Muster werden
Lebensentwürfe, Entwicklungen, Zusammenhänge sichtbar. Der Autor hat Ereignisse
literarisch zusammengefügt, so dass man Dinge, die einen selbst, die eigene
Realität betreffen, unter einer bestimmten (neuen) Perspektive wiedererkennt.
Oder man vergleicht seine Realität mit der fiktiven, erkennt die Unterschiede.
Das bringt einen weiter.
A:
Ist mühsam. Vor allem, wenn es langweilig präsentiert wird.
B:
Wie denn?
A:
Schlagt das Buch auf Seite 9 auf und dann lesen wir…
B:
Kann mal sein, aber dauernd ist das natürlich nichts.
A:
Die Schüler bleiben außen vor, werden nicht mitgenommen.
B:
Warum meldet ihr euch nicht, stellt keine Fragen?
A:
Da vergeht es einem irgendwann.
B:
O mei‘…
Fazit:
Die
neuen Unterrichtsformen setzen stark auf die Aktivierung der Schüler. Das ist
wohl dringend notwendig. Aber, wie ich es schon oft erlebt habe, wird eine
Methode mal wieder verabsolutiert, was sie letztlich ins Leere laufen lässt.
Warum denn kein Methodenwechsel? Nicht nur von einer Stunde zur nächsten (also
von einem Lehrer zum nächsten), sondern bei jedem Unterrichtenden im Einzelnen,
passend zum Stoff, um den es geht.
Sicherlich
muss der Lehrende Verständnis dafür haben, wenn ein Schüler kein intensiveres
Interesse an dem Inhalt zeigt, den er anbietet. Grundlagen muss er verlangen,
das ist sein Job, aber er darf nicht persönlich beleidigt sein, wenn es nicht
darüber hinausgeht!
Aber
die Probleme mit dem Lehren und Lernen sind Jahrtausende alt. Nicht einmal
Jesus hat alle seine Jünger erreicht, wie wir wissen. Obwohl es ihm an Charisma
bestimmt nicht gefehlt hat! Es stimmt wohl die alte Regel von dem Samenkorn,
das eben auch auf fruchtbaren Boden fallen muss. Der Boden meint nicht nur Interesse für den jeweiligen Inhalt und
eine Begabung dafür, sondern eine allgemein menschliche Aufgeschlossenheit für
Inhalte insgesamt. Wie sehr man sich darein vertieft, mag individuell
verschieden sein. Das ist legitim. Aber eine Grundbereitschaft und Höflichkeit
seitens der Schüler, sich dem Angebot wenigstens einmal zu öffnen, muss
vorhanden sein, sonst gibt es keine Chance.
Dann
können die Lehrer es auch bringen!
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