In
letzter Zeit häufen sich Berichte über Vorkommnisse, die man meist mit diesem
Begriff betitelt: Auf mehr oder weniger verwackelten Smartphone-Videos sieht man Polizisten,
die mit einem Delinquenten raufen, ihn zu Boden bringen und Handschellen
anlegen. Reflexartige Skandalisierung
gerne inklusive.
In
der Regel setzen die Aufnahmen erst ein, wenn die Beamten zugreifen. So lange die meist jungen Männer nur die Anweisungen der Polizisten ignorieren,
ihnen freche Antworten geben oder sie beileidigen und anpöbeln, wird man darauf
nicht aufmerksam oder hält es jedenfalls nicht für filmenswert. Und schlimmstenfalls kann man den Vorlauf ja wegschneiden, bevor man das Video ins
Internet stellt.
Angesichts
der rassistischen Übergriffe
US-amerikanischer Ordnungshüter gegen dunkelhäutige Personen ist den Veröffentlichern
die allgemeine Empörung sicher – und
das gute Gefühl, der Gerechtigkeit
gedient zu haben. Behörden und Politiker sind inzwischen
sensibilisiert: Untersuchungen werden angeordnet, Polizeipräsidenten und Minister
nehmen Stellung, Innenausschüsse treten zusammen, speziell Grüne oder Linke
fordern dann irgendwas...
Ich
habe zwei Fälle näher recherchiert,
die mir ziemlich typisch erscheinen:
Die
20-jährige Sayuri Gonzales feierte
vor über einer Woche nach Mitternacht auf dem Platz vor der alten Synagoge in Freiburg. Offenbar hatte die Polizei
die Gruppe junger Leute schon mehrfach auf den ruhestörenden Lärm hingewiesen. Angeblich wurde dann zwar die Musik
abgestellt, das „lautstarke Trinkspiel“ aber fortgesetzt. Da die Beamten wohl
einen Platzverweis aussprechen
wollten, sollte die Auszubildende mit kolumbianischen Wurzeln ihren Ausweis vorzeigen.
Dies
verweigerte sie, da sie der
Auffassung war, andere Gruppen seien ebenfalls laut gewesen, wogegen die
Polizei nichts unternehme. Zudem verlangte sie von den Beamten einen
angemessenen Tonfall. Als die Beamten sie beim Arm fassten, um sie mitzunehmen,
versuchte sie sich loszureißen. In dem folgenden Gerangel ging sie zu Boden, dort wurde sie fixiert und mit
Handschellen gefesselt.
Nach
Feststellung ihrer Personalien auf
der Polizeiwache durfte die junge Dame wieder gehen. Sie gab an, die Fesselung
habe geschmerzt, sie sei verletzt worden. Daher verlangte sie von den Beamten
eine Entschuldigung. Sie wolle die
Polizei jedoch nicht generell verurteilen.
Im
folgenden Bericht sieht man einen Teil des Videos,
das auf Instagram über 30000 Mal geteilt wurde. Vor einigen Tagen waren dort noch die Äußerungen der 20-Jährigen
zu dem Vorfall zu hören. Inzwischen ist dieses Video aber von der Plattform
verschwunden.
Mit
gutem Grund, wie ich finde. Die
junge Dame redete sich dort nämlich um Kopf und Kragen. Ihre Rechtfertigungen
offenbarten einige grundlegende
Missverständnisse, wie sie sich in gewissen Köpfen schon seit längerer Zeit
herausgebildet haben:
Generell
gehen solche Herrschaften offenbar davon aus, dass zwischen ihnen und
Vertretern der Staatgewalt (mindestens) eine Gleichrangigkeit bestehe, was zu einer ergebnisoffenen Diskussion berechtige, ob man beispielsweise auf
einem öffentlichen Platz um ein Uhr nachts weiterhin lärmen dürfe oder nicht –
beziehungsweise die Corona-Regeln zu befolgen habe.
Sorry,
das ist eine ganz schlechte Idee!
Die Polizei muss ihre Anweisungen dann halt durchsetzen, um nicht den letzten
Rest von Glaubwürdigkeit zu verspielen. Offenbar waren zudem mehrere Ansprachen
vorher ergebnislos. Was sollten die Beamten denn machen? Wieder gehen nach dem
Motto „dann halt nicht“?
Und,
mit Verlaub, das Argument „andere sind
auch laut“ ist so ziemlich das Dümmste,
was einem in dem Moment einfallen kann. Muss die Polizei einem Raser auch erst
nachweisen, dass sie vorher garantiert alle anderen Verkehrssünder geschnappt
hat? Irgendwo muss man halt mal anfangen…
Auch
dass die Ordnungshüter deutlicher
werden, wenn sie es vorher mehrere Male vergeblich leiser versucht haben, ist
nicht ganz unverständlich. In der Situation den Polizisten dann mit Bedingungen zu kommen wie „Meinen Ausweis kriegen Sie erst, wenn Sie
normal fragen“ ist verwegen. Um es deutlicher zu sagen: Ich würde mich in
der Situation nachts um eins auch nicht mit einer solchen Rotzgöre auf pädagogische Erziehungsmaßnahmen einlassen.
Insgesamt
müssen sich die jungen Leute vorhalten lassen, dass die Eskalation absehbar war. Nicht selten wird eine Machtprobe gesucht. Wenn man mit dem Kopf durch die Wand will,
landet man eben irgendwann auf der Nase.
Der
andere Fall hat noch komischere Seiten:
In
Hamburg wollte ein Polizeibeamter einen Jugendlichen namens Kadir kontrollieren, der in den Tagen
zuvor schon mehrfach negativ aufgefallen war. Er fuhr mit einem Elektroroller verbotswidrig auf einem
Gehweg. Der 15-Jährige, immerhin 1,85 groß, fast ebenso breit und Boxsportler,
weigerte sich, seine Personalien für
den fälligen Strafzettel anzugeben. Mit verbalen
Anweisungen war er nicht erreichbar. Stattdessen fing er eine Rauferei mit inzwischen vier Polizisten
an. Erst einer Übermacht von acht Beamten gelang es schließlich, ihn mittels Pfefferspray
zu überwältigen.
Vielleicht
inspiriert durch eine Inschrift auf einer Wand dahinter befand er nun
plötzlich, er kriege keine Luft mehr, da er Asthma habe. Der gute Junge war mit Diebstahl und Körperverletzungen,
teilweise gegen Lehrkräfte, bereits amtsbekannt. Immerhin gab er anschließend
zu, er habe den Beamten provoziert.
Es
dauerte insgesamt eine halbe Stunde,
bis man den hoffnungsvollen Knaben mitnehmen konnte.
Eine
empörte Zeugin filmte denn Vorfall
ab dem Moment, als die Handgreiflichkeiten begannen.
Ich
hätte für den jungen Mann einen Tipp:
Mit Asthma möglichst nicht raufen – schon gar nicht mit der Polizei. Die
gewinnt nämlich meistens.
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Video-eines-Polizeieinsatzes-inHamburg-sorgt-fuer-Debatte,video3196.html
Ich
muss gestehen, dass meine persönlichen
Erfahrungen mit der Polizei stets sehr entspannt verliefen: Zweimal geriet
ich in eine Radarkontrolle, weil ich in geschlossenen Ortschaften mit etwa 60 km/h
unterwegs war, mehrere Male erlebten wir eine Straßenverkehrskontrolle,
wobei meine liebe Frau einmal ihre 0
Promille per Atemtest zu beweisen hatte, und dreimal riefen wir selber die
Polizei, da wir mit einem Reh kollidierten.
Ausnahmslos
erlebten wir Beamte, die absolut ruhig, freundlich und professionell agierten.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, die Herren seien heilfroh, dass wir weder betrunken oder bekifft noch renitent
waren. Allerdings zückten wir auch jedes Mal zügig unsere Ausweise, als wir darum gebeten wurden. Wie angepasst…
Ich
stelle es mir als tolle Beschäftigung vor, gerade in einer Nachtschicht und an Brennpunkten von einer Gruppe Besoffener zur anderen zu fahren und
sich ständig zumindest schwach anreden zu lassen. Öfters darf man sich dann
noch gegen gröbere Respektlosigkeiten oder gar körperliche Attacken wehren.
Dabei
muss man ständig damit rechnen, dass Umstehende ihr Smartphone zücken und anklagende Videos in Netz stellen. Sich
vielleicht sogar einmischen und die
Situation endgültig eskalieren lassen. Ich glaube, genau darauf legen es manche
Störenfriede auch an. Und hoffen insgeheim, einem Beamten könnten mal die
Nerven durchgehen. Dann dürfen sie sich nachher im Internet als Märtyrer gerieren.
Damit
mich keiner missversteht: Selbstverständlich gibt es auch von Seiten der
Polizei gewaltsame Übergriffe, die genau
zu untersuchen sind. Warum sich viele Bundesländer noch dagegen wehren, damit polizeiunabhängige Stellen zu
beauftragen, versteh ich überhaupt nicht. Und ja: Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) ist eine schwere Straftat, die entsprechend geahndet
werden muss. Weiterhin brauchen wir unbedingt endlich eine Studie über strukturellen Rassismus bei den
Ordnungskräften – auch wenn Herr Seehofer
das anders sieht.
All
das würde die Verdächte
von der großen Mehrzahl der Polizisten nehmen, die – vor allem auf der Straße –
einen schweren und mäßig bezahlten Dienst tun. Und natürlich schwarze Schafe aussortieren.
Man
geht ziemlich unbedacht mit dem Begriff „Polizeigewalt“
um. Ich bin jedenfalls sehr dankbar, dass bei uns nur die Polizei direkten Zwang ausüben darf, also über
das Gewaltmonopol verfügt. Verhältnisse
wie in den USA, wo jeder sich eine Knarre kaufen und den persönlichen Rechtsweg
beschreiten kann, brauche ich überhaupt nicht.
Da
zeige ich lieber mal meinen Ausweis.
Ich blogge ja nicht mal unter Pseudonym.
Quellen:
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/polizeigewalt-125.html
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