Vor
einem knappen Jahr hatte ich diesen bildungspolitischen
Wahnsinn bereits angeprangert:
Es
geht um „reformpädagogische“ Methoden im
Deutschunterricht: So dürfen Schüler beim Konzept „Lesen durch Schreiben“ (auch „Schreiben nach Gehör“) die Wörter
nach eigenem Gusto gestalten – orthografische Korrekturen erfolgen nicht, damit
die armen Kleinen nicht „frustriert“ werden. Ebenso up to date war offenbar die
„Rechtschreibwerkstatt“, wo den
Kindern Material zur Verfügung gestellt wurde, das sie individuell und ohne
Zeitvorgaben bearbeiten sollten. Als veraltet galt die Beschulung via „Fibel“
– also die klassische Art, Wörter Buchstabe für Buchstabe strukturiert richtig
schreiben zu lernen.
Immerhin
hatte die Bildungsministerin
Baden-Württembergs bereits letztes Jahr – alarmiert durch schlechte Testergebnisse
– die Abkehr von den Reformmethoden
befohlen. Nun scheint man auch bundesweit auf dem Rückzug:
Eine
Studie der Universität Bonn an 3000
Grundschülern Nordrhein-Westfalens hat klar erwiesen, dass die neuen Ansätze
weit schlechtere Ergebnisse produzieren als die hergebrachte Verwendung der
Rechtschreibfibel: Am Ende der 4. Klasse machten „Lesen durch Schreiben-Schüler“ im Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler als die „Fibelkinder“, die aus der „Rechtschreibwerkstatt“
sogar 105 Prozent. Auch insgesamt
ist die Entwicklung desaströs: Der „Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU
von Ende 2017 zufolge kann jeder fünfte Zehnjährige in Deutschland nicht so
lesen, dass er den Text auch versteht. Und der bei Viertklässlern erhobene
IQB-Bildungstrend 2016 ergab, dass nur 55 Prozent orthografische Regelstandards
erreichen oder übertreffen.“
Übrigens
kommt die Studie auch zu dem Ergebnis, gerade Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache beherrschen,
profitierten besonders von der Fibel-Methode…
Aus
dem Tiefschlaf gerissene Schul-Promis wie die
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und der
Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger fordern nun
die Umsetzung der Studienergbnisse in die Praxis, um „möglichst schnell weiteren Schaden von unseren Grundschulkindern
abzuwenden“, so Meidinger. Und
selbst der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter (Die Linke),
meint, die Studie gebe wichtige Hinweise…
Wahrscheinlich
wird man hierzu eine „Experten-Kommission“
einsetzen. Damit ist man dann wieder einmal Teil des Problems statt der Lösung.
Es gibt hierzulande eine immer weiter ausufernde „Expertokratie“: In der Bildung bedeutet dies, Entscheidungen an professoralen Klugschwätzern zu
orientieren, die Schüler vornehmlich aus Statistiken und Blicken durch
Einwegspiegel kennen, jedoch nie auch nur einen einzigen Tag (in voller Länge!) unterrichtet haben.
In
Deutschland gibt es doch zehntausende
Grundschullehrer mit einer zweistelligen Zahl von Dienstjahren. Warum hat
man diese erfahrenen Kollegen nicht mal gefragt, ob sie meinten, Schüler
lernten richtig zu schreiben, wenn man ihre Wortschöpfungen unkorrigiert stehen ließe? Wie wichtig
in der Bildung Struktur und nicht zielloses Herumwursteln in der „Rechtschreibwerkstatt“
ist? Dass Frust genauso zum Auslöschen
von Falschem gehört wie Motivation
das Ergebnis von Richtigem ist?
Ich
halte es für die Mutter allen Übels, dass man sich hierzulande – ob bei
Bildung, Nasenbohren oder Tango – immer mehr auf „Experten“ und sonstige angeblich zertifizierte Existenzen verlässt, anstatt zumindest auch den
eigenen, mehr oder weniger gesunden
Menschenverstand zu bemühen – ja sich vielleicht sogar auf das persönliche „Bauchgefühl“ zu hören: Oft genug hat
man recht mit der Vermutung, dass etwas, das aussieht, riecht und sich anfühlt
wie Käse, auch einer ist!
Bildungsfunktionäre sind jedenfalls mit
der Produktion von Blödsinn noch lange nicht fertig:
„Der Bildungsverband
VBE zeigte sich hinsichtlich der neuen Ergebnisse skeptisch. Grundsätzlich sei
es ‚nicht zielführend‘, die Rechtschreibfähigkeit als einzelnen Aspekt
losgelöst von allen anderen Lernprozessen zu untersuchen. Der Vorsitzende Udo
Beckmann meint: ‚Eine einseitig festgelegte Rückkehr zum Unterricht mit der
Fibel ist keine Lösung.‘"
Bei
der Beachtung eines Mindestmaßes an Vernunft hätte man sich auch in Bayern
14 in den Sand gesetzte Jahre
erspart, in denen Schüler und Lehrer mit der Stoiberschen „Reform“ eines achtjährigen Gymnasiums überzogen
wurden. Dabei hätten alle am Gymnasium Beteiligten, inklusive der Hausmeister
und Putzfrauen, von vornherein erkennen können, dass Edmunds Vision von einer achtjährigen Ausbildung mit besseren Lernergebnissen als die
neunjährige Version genau das war, wonach sie sich anhörte: Bullshit.
Immerhin
war es der momentan an der Innenpolitik grandios scheiternde Horst
Seehofer, der endlich den Irrsinn mit Wirkung dieses Schuljahres
abstellte – und Markus Söder ersetzte anschließend aus Pietätsgründen den
bislang amtierenden Kultusminister. Hoffentlich werden seine Ex-Kollegen aus
den anderen Bundesländern auch mit der „Reformpädagogik“ im Fach Deutsch so
verfahren und damit „Analphabeten aus eigener Fertigung“ in Zukunft vermeiden.
Auch
dazu hatte ich vor zwei Jahren schon einen Artikel verfasst:
Nun möchte ich ja gar nicht so recht haben wie der Autor Werner
Keller mit seinem Bestseller:
Viel
lieber wäre es mir, nicht (weitgehend unbeachtet) gegen offensichtliche
Idiotien anschreiben zu müssen.
Und
immerhin schafft man es ja in Politik und Bildung gelegentlich, krassen Unsinn zu korrigieren: So
werden auch illoyale Verfassungsschutz-Präsidenten dann doch nicht befördert
und Fraktionsvorsitzende – trotz gegenteiliger Experten-Vorhersage – abgewählt.
P.S.
Wer seine eigenen Rechtschreib-Fähigkeiten
einmal testen will:
http://www.spiegel.de/quiztool/quiztool-67136.html
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