„Alsdann bringe Aaron
den Bock, auf den das Los für den Herrn gefallen ist, herbei und richte ihn als
Sündopfer her. Der Bock aber, auf den das Los für Asasel gefallen ist, soll
lebendig vor den Herrn gestellt werden, damit man an ihm die Sühne vollziehe
und ihn zu Asasel in die Wüste schicke.“
(Lev 16.9-10)
Damit
die Sache mit dem Sündenbock
spannender wird, zunächst eine Frage: Aus welchem Parteiprogramm stammen die folgenden Zitate? Die Antwort finden Sie am Schluss des Artikels!
·
Wir fordern den
Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der
Völker (…)
·
Wir fordern die
Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen
·
Wer nicht
Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben können und muss unter
Fremden-Gesetzgebung stehen.
·
Das Recht, über
Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen.
Daher fordern wir, dass jedes öffentliche Amt, gleichgültig welcher Art, (…)
nur durch Staatsbürger bekleidet werden darf.
·
Wir bekämpfen die
korrumpierende Parlamentswirtschaft einer Stellenbesetzung nur nach
Parteigesichtspunkten ohne Rücksichtnahme auf Charakter und Fähigkeiten.
·
Wir fordern, dass
sich der Staat verpflichtet, in erster Linie für die Erwerbs- und
Lebensmöglichkeit der Bürger zu sorgen. Wenn es nicht möglich ist, die
Gesamtbevölkerung des Staates zu ernähren, so sind die Angehörigen fremder
Nationen (Nicht-Staatsbürger) (…) auszuweisen.
·
Jede weitere
Einwanderung Nicht-Deutscher ist zu verhindern.
·
Erste Pflicht jeden
Staatsbürgers muss sein, geistig
oder körperlich zu schaffen. Die Tätigkeit des Einzelnen darf nicht
gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, sondern muss im Rahmen des
gesamten und zum Nutzen aller erfolgen.
·
Abschaffung des
arbeits- und mühelosen Einkommens.
·
Wir fordern den
rücksichtslosen Kampf gegen diejenigen, die durch ihre Tätigkeit das
Gemein-Interesse schädigen.
·
Wir fordern Ersatz
für das der materialistischen Weltordnung dienende römische Recht durch ein
deutsches Gemein-Recht.
·
Die Lehrpläne aller
Bildungsanstalten sind den Erfordernissen des praktischen Lebens
anzupassen. Das Erfassen des Staatsgedankens muss bereits mit
dem Beginn des Verständnisses durch die Schule (Staatsbürgerkunde)
erzielt werden. Wir fordern die Ausbildung geistig besonders veranlagter
Kinder armer Eltern ohne Rücksicht auf deren Stand oder Beruf auf
Staatskosten.
·
Wir fordern den gesetzlichen
Kampf gegen die bewusste politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse.
·
Wir fordern die
Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen
Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl (…) verstoßen.
Derzeit
hört man von vielen, die in Chemnitz und anderswo hinter grölenden Deutschnationalen
herlaufen, das Bekenntnis, selbst ja kein
Nazi zu sein, nicht mal rechtem Gedankengut anzuhängen, i wo! Man sei
lediglich ein besorgter Bürger, den
die Bedrohung durch ausländische Gewalttäter umtreibe.
Das
Schlimme daran ist, dass dies vermutlich stimmt – und zwar nicht nur heute,
sondern auch schon in der Weimarer Republik: Auch zu ihren besten Zeiten hatten
die Nationalsozialisten in
Deutschland keine Mehrheit. Ihre Ergebnisse in Prozent bei den Reichstagswahlen:
4.5.1924:
8,5
7.12.1924:
3,0
20.5.1928:
2,6
14.9.1930:
18,3
31.7.1932:
37,4
6.9.1932: 33,1
Selbst
bei der Wahl am 5.3.1933 (nach der Machtergreifung Hitlers am 30.1.1933, der
Zerschlagung bzw. Verfolgung der KPD und SPD) erreichte die NSDAP lediglich 43,9 Prozent!
Bis
1930 war noch der Sozialdemokrat Hermann
Müller Reichskanzler, danach Heinrich
Brüning von der Zentrumspartei. Sein Nachfolger Franz von Papen (ebenfalls aus der Zentrumspartei stammend) setzte
1932 die SPD-geführte Regierung in Preußen ab. Der parteilose General Kurt von Schleicher schließlich
regierte nur mehr von Dezember 1932 bis Ende Januar 1933. Sein Versuch, die
NSDAP zu spalten, scheiterte – Hitler
wurde von Reichspräsident Hindenburg
zum Reichskanzler ernannt und regierte mit einer Koalition von NSDAP,
Deutschnationaler Volkspartei und Stahlhelmbund.
Ohne
die Unterstützung von Kräften aus dem Militär, der Großindustrie und vor allem
von konservativen Parteien wäre die NSDAP
nie auf parlamentarischem Weg an die Macht gekommen.
Adolf Hitler schrieb 1930:
„Die Verfassung
schreibt uns nur die Methoden vor, nicht aber das Ziel. Wir werden auf diesem
verfassungsmäßigen Wege die ausschlaggebenden Mehrheiten in den gesetzgebenden
Körperschaften zu erlangen versuchen, um in dem Augenblick, wo uns das gelingt,
den Staat in die Form zu bringen, die unseren Ideen entspricht.“
Selbst
für die Zweidrittelmehrheit zum Ermächtigungsgesetz vom 24.3.1933
benötigte Hitler die Unterstützung der
bürgerlichen Parteien, insbesondere des katholischen Zentrums und der
Bayerischen Volkspartei (Vorläufer der heutigen CDU bzw. CSU). Letztlich
stimmten, in der Kroll-Oper von SA-Leuten umringt, nur die 94 noch anwesenden SPD-Abgeordneten gegen das Gesetz,
welches letztlich den Parlamentarismus in Deutschland abschaffte.
Die
Missstände waren damals wie heute
nicht zu leugnen: die Weltwirtschaftskrise einst bzw. die (bei Weitem weniger schlimmen) Probleme mit Flucht und Einwanderung heute. Extremisten „lösen“
Probleme jedoch nur scheinbar, indem sie einen Sündenbock finden: Was damals die Juden (und ihre „Weltverschwörung“) waren, sind heute die „Ausländer“ – in der rechten Propaganda
alles Terroristen, Vergewaltiger und Messerstecher.
Selber
werden die extremen Rechten nie eine Mehrheit erringen
– so wie früher. Es sei denn, ihnen geht ein verhetztes Kleinbürgertum mal wieder auf den Leim…
Es
ist heroisch, was damals bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz der
SPD-Vorsitzende Otto Wels den
Nationalsozialisten entgegenhielt:
„Wir deutschen
Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den
Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der Freiheit und des
Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und
unzerstörbar sind, zu vernichten. […] Auch aus neuen Verfolgungen kann die
deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.
Wir grüßen die
Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre
Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre
ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.“
Ich
lege allerdings auf solch Heldentum
keinen Wert. Noch liegt die AfD in den Umfragen erst bei zirka 17 Prozent.
Ein unterlassenes Kreuz auf dem Wahlzettel würde derzeit noch helfen. Denn wenn
der Geist erst mal aus der Flasche ist, wird es schwierig, ihn wieder
hineinzubringen!
Das sind doch keine
Nazis, aber…
Die Parallelen jedoch deuten sich unübersehbar an:
P.S.
Das Eingangszitat meines Beitrags stammt aus dem 25 Punkte-Programm der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiter-Partei vom 24.2.1920.
http://www.documentarchiv.de/wr/1920/nsdap-programm.html
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