Samstag, 17. Juli 2021

Nicht feiern, sondern eskalieren

 

Da derzeit wohl nicht nur in Pfaffenhofen die Mär von der „ach so armen Abi-Generation“ verbreitet wird, habe ich einmal recherchiert, welches Gedöns heute um die bestandene Reifeprüfung veranstaltet wird.

Die Zeiten sind längst vorbei, wo eine Abiturfeier mit schlichter Zeugnis-Überreichung genügte – und vielleicht noch ein selbst organisierter Ball in der Sporthalle, zu dem die Eltern Nudelsalat und Würstchen herbeischleppten.

Nein: Seit etwa 20 Jahren hat sich rund um die erworbene Studienerlaubnis eine bestens verdienende Feier-Industrie angesiedelt, welche den Schulabgängern mit Agentur-Leistungen zur Verfügung steht: „Firmen machen ein gutes Geschäft mit einer naiven Kundschaft“, so beschrieb dies 2018 der Berliner „Tagesspiegel“:

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schulabschluss-wie-abiball-veranstalter-mit-schuelern-kasse-machen/22584420.html

Ein Höhepunkt fürs graduierte Volk ist sicherlich der Abiball, für den heute eher noble Hotelsäle gebucht werden, inklusive teurem Büfett, Spitzen-DJ respektive Tanzkapelle, gerne auch mal weitere Unterhaltungskünstler oder ein Feuerwerk. 40 bis 75 Euro kostet dann die Eintrittskarte – so ein Berliner Eventmanager. Tendenz steigend, denn jeder Jahrgang möchte natürlich die Kollegen von früher übertrumpfen.

Vorbild für solche Veranstaltungen sind die amerikanischen „Proms“ am Ende der dortigen Highschool-Jahre, bei denen schon lange ein derartiger Pomp getrieben wird.     

https://de.wikipedia.org/wiki/Prom

Natürlich muss dann auch das persönliche Styling stimmen. Bis zu 200 Euro kostet den Damen ein Friseurbesuch inklusive Schminken fürs rauschende Fest. Bei der Ballgarderobe sind Fummel sowie Preise fürs Abendkleid nach oben offen – und die jungen Herren sollten sich möglichst mit einem Smoking bedecken.

Warum dann zum Nobel-Ball nicht auch mit der edlen Limousine vorfahren? Eine Agentur formuliert ihr Angebot erdrückend realistisch: „Schenken Sie Ihrem Kind das unvergessliche Gefühl, wie ein Star vor dem Festsaal vorzufahren und im Mittelpunkt seiner ehemaligen Mitschüler zu stehen.“ Kostenpunkt: ab 200 Euro für eine Stunde Fahrt mit Sektflasche, Softdrinks und rotem Teppich.

Dagegen nehmen sich die Kosten fürs Abishirt oder den bedruckten Kapuzenpulli eher bescheiden aus – und vor allem die Abizeitung, so eine Event-Managerin, dürfe nicht viel kosten: „Die kann man ja nicht anziehen.“

https://www.welt.de/wirtschaft/article155180167/Die-sechs-grossen-Geldmaschinen-nach-dem-Abitur.html 

Die Abiturindustrie hat sich – jedenfalls vor Corona – als krisensicheres Geschäft erwiesen: Es kommt ja jedes Jahr ein neuer Jahrgang hinzu – und wenn die Vorgänger mit dem Service zufrieden waren, wird man auch wieder gebucht.

Da man für all das reichlich Kohle abdrücken muss, werden zur „Vorfinanzierung“ gerne „Oberstufenpartys“ inszeniert, womit sich die Feierei an den Gymnasien weiter etabliert. Ein Großteil des Geldes wird aber nach den Erfahrungen der Agenturen den Eltern und Großeltern aus der Tasche geleiert – im Gegenzug zur Erhöhung von deren sozialen Status: Wenn der Bub oder sogar das Mädel Abitur hat, gilt man halt was in der Gemeinde…  

Auch für die immer mehr ausufernden Abistreiche muss man sich nichts mehr selber einfallen lassen. So bietet die Firma „abigrafen.de“ ein großes Arsenal an Ideen und Zubehör. Den Sinn der Sache beschreiben die Anbieter völlig zutreffend: Das oberste Gebot ist dabei (bei den meisten Abiturklassen), den Unterricht für alle Mitschüler erfolgreich zu verhindern. Wahrscheinlich wird das auch von den Unterstufen der Schule heiß erwartet…“

https://www.abigrafen.de/tipps-und-tricks/abistreich-abigag-abisturm-abischerz/

Das Motto „Feiern, bis der Arzt kommt“ lässt sich noch übertreffen, wenn man mit eskalierendem Abitur-Gedöns für Polizeieinsätze sorgt. In Köln beispielsweise scheinen regelrechte Schlachten zwischen den Schulen inzwischen zur rheinischen Folklore zu zählen. Das Tröstliche dabei: Die Polizei kommt sogar gratis.   

https://www.fr.de/panorama/abi-feier-geraet-ausser-kontrolle-polizei-setzt-pfefferspray-11208210.html

Ein weiterer Höhepunkt der Abi-Sause ist natürlich die „Abiturfahrt“, die sich seit etwa 15 Jahren fest im Programm etabliert hat. Eine Vielzahl von Firmen bietet hierfür abwaschbare Ferienorte mit Billigfusel und Amüsierzwang. Unterbringung in einer Hotel-Absteige inklusive. Die Masse bringt das Geschäft. Berüchtigt war hierfür lange Zeit der ehemalige spanische Fischerort Lloret de Mar mit über 100 Bars und Diskotheken.

Mit dem Motto „Wir feiern nicht, wir eskalieren!“ zitierte der SPIEGEL in einem bemerkenswerten Artikel schon 2009 einen dortigen Animateur fürs Abi-Volk. Kostproben:

„Die Stadt ist der betongewordene Traum, den viele Kinder träumen, wenn sie in ihrer Phantasie den Überfluss durchspielen: einmal in einem riesigen Supermarkt eingeschlossen werden und nach Herz und Laune rumsauen können die ganze Nacht. Lloret ist der Supermarkt für Abiturienten, und für fünf, sechs Wochen im Sommer existiert die Stadt nur, um dem neuen Leben nach der Schule die Komplexität zu nehmen. Die ersten Schritte in der Freiheit enden vor Sangria-Eimern.“

„Der Polizeichef von Lloret sagt: ‚Wenn man sich die Versprechen der Reiseveranstalter anschaut, denkt man, es geht hier nur um Sex und Alkohol. Die jungen Leute glauben, sie dürfen alles.‘“

https://www.spiegel.de/spiegel/a-635631.html

Nun gut, inzwischen weicht man pandemiehalber auf ehemalige Ostblockstaaten mit minimaler staatlicher Kontrolle wie Kroatien aus. Infektionsgarantie inklusive, wie die Abiturienten aus der Holledau kürzlich erfahren durften.

Auch für diesen hedonistischen Scheiß stehen natürlich die USA Pate: Den berüchtigten Springbreak, den Wikipedia in gewohnter Nüchternheit so beschreibt: „Während des Springbreak suchen Studenten oft warme Orte der USA, Mexiko oder die Karibik auf, um sich vom Studienalltag vor allem durch ausgiebige Feiern zu erholen. Dabei kommt es auch zu starkem Alkohol- und Drogenkonsum, sexueller Freizügigkeit, Promiskuität und öffentlicher Zurschaustellung von Nacktheit.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Spring_Break

Ob solcher Wahnsinn in den USA dazu beigetragen hat, einen egomanischen Vollidioten ins Präsidentenamt zu wählen, sollte einmal untersucht werden…

Ich habe eine interessante Theorie zur Entstehung solcher pompöser Bräuche gelesen: Als das Abitur noch wirklich etwas galt, hatte man sie nicht nötig. Heute dagegen ist das Reifezeugnis längst keine Garantie mehr, später eine lukrative Beschäftigung zu erhalten. Desto mehr muss man dessen Erhalt aufblasen. Mit immer teureren Hochzeiten und hohen Scheidungsraten könnte es sich ebenso verhalten.

Ein Grund ist für mich das immer stärkere Auseinanderdriften von Leistungen und deren Benotung: In der heutigen Ausgabe des „Pfaffenhofener Kurier“ (S. 32) wird von einem Gymnasium im Landkreis berichtet, sein Abiturjahrgang habe die besten Noten seit Bestehen der Schule erreicht: Von 96 Prüflingen schnitten 25 mit der Note „sehr gut“ ab.

Dann lassen wir halt weiterhin die Unis jammern, dass sie bei den Erstsemestern elementare Fähigkeiten vermissen!

Ja, die arme Corona-Generation… Wenn man als Satiriker natürlich ausschließt, es sei dabei kräftig an der Manipulations-Schraube gedreht worden, bleibt nur eine Erklärung: Der Distanzunterricht ist viel erfolgreicher als der frühere Präsenzunterricht (was mich als Insider nicht wundern würde). Daher meine ich: Man sollte bei der Beschulung per Mausklick bleiben. Nicht nur, dass sich dadurch Corona-Infektionen zuverlässig vermeiden ließen – man könnte die leeren Schulgebäude dann umwidmen. Am besten in Sozialwohnungen für Menschen, die auf dem heutigen Mietmarkt chancenlos sind.

Im Projektunterricht könnte man die Bewohner dann sogar einmal besuchen und so eine Spezies kennenlernen, welche gerade bayerischen Abiturienten wenig bekannt ist:

„Die bayerische Staatsregierung stellt in ihrem eigenen Sozialbericht selbst fest, dass in Bayern Kinder aus der obersten Sozialschicht eine 6,5-mal so hohe Chance haben das Gymnasium zu besuchen wie Kinder aus unteren Schichten.“

https://bayern.dgb.de/themen/++co++27204b80-025c-11e2-a8d2-00188b4dc422

Was sollen die Kinder von Hartz 4-Empfängern auch auf dem Gymnasium? Die könnten sich das Abitur – im wahrsten Sinne des Wortes – gar nicht leisten!

https://www.youtube.com/watch?v=htA-AuvpvMY

Weitere Quellen:

https://germanblogs.de/abitur-industrie-unternehmen-wittern-das-grosse-geld/

https://www.focus.de/finanzen/karriere/schueler-feiern-ihr-abitur-so-viel-kostet-die-abi-feier_id_5550924.html

https://www.deutschlandfunk.de/die-amerikanisierung-des-abi-balls.680.de.html?dram:article_id=251274

Donnerstag, 15. Juli 2021

Von Feierkultur, Corona und Krokodilstränen

 

Ich bemühe mich, zunächst sachlich zu bleiben:

Gestern meldete der „Pfaffenhofener Kurier“ unter der Überschrift „Party, Palmen und Pandemie (14.7.21, S. 19), mehrere Abiturienten des dortigen Gymnasiums seien von einer Schüler-Fahrt nach Kroatien mit einer Corona-Infektion zurückgekehrt. Obwohl man sich immer wieder negativ getestet habe. Nun befänden sie und Angehörige sich in Quarantäne und könnten nicht einmal an der Abiturfeier teilnehmen.

Die werde es eh nicht geben, so gestern ihr Schulleiter: Er könne sich nicht vorstellen, in der gegenwärtigen Situation eine Abiturrede zu halten – man spreche hier schließlich vom Reifezeugnis. „Ich kann denen jetzt einfach nicht erzählen, wie reif sie sind."

https://www.donaukurier.de/lokales/pfaffenhofen/Corona-von-Abifahrt-mitgebracht-Zeugnisverleihung-in-Pfaffenhofen-abgesagt;art600,4794167

Gut 700 Euro kostete die fünftägige Sause auf einer kroatischen Halbinsel, welche der Veranstalter wohl im Ganzen gemietet hatte – zirka 2000 Abiturienten machten da Party. Es gibt sogar schöne Videos zum Angebot, das bislang schon „über 230 Schulen“ wahrgenommen hätten.

https://www.youtube.com/watch?v=P_s0jdpnYJU&t=2s

Na gut, von Masken oder Mindestabständen ist da nichts zu entdecken. Was mich – im Gegensatz zu berufsmäßigen Journalisten – interessierte: Ist dies in Kroatien überhaupt erlaubt? In den Reiserichtlinien des Auswärtigen Amts für dieses Land heißt es:

„Es gilt eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften und Krankenhäusern sowie im Freien überall dort, wo der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Bei Nichtbeachtung der Maskenpflicht drohen Bußgelder.“

https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/kroatiensicherheit/210072

Na, immerhin! Und – so die offizielle Seite der kroatischen Regierung – man bestehe bei Einreise auf Impfung oder Testung – allerdings:
„Ausnahmen von der Pflicht des Besitzes eines gültigen und geltenden digitalen EU-COVID-Zertifikates oder von den oben genannten Verpflichtungen sind: (…) Schüler, Studenten und Praktikanten“

https://mup.gov.hr/uzg-covid/deutsche/286213

Zu zeitnahen Auskünften sieht sich das Reiseunternehmen momentan nicht in der Lage. Das Gegenteil hätte mich auch gewundert.

Solche Infektionen scheinen bei diesen Touren öfters vorzukommen. So berichtet heute der „Münchner Merkur“ über einen ganz ähnlichen Fall am Gymnasium Geretsried. Zart wird angedeutet, vor Ort habe man Testungen eher lax gehandhabt. Und natürlich betont die Schulleitung, solche Privatreisen lägen außerhalb ihrer Verantwortung:

https://www.merkur.de/lokales/wolfratshausen/geretsried-ort46843/corona-infektion-abifahrt-schueler-inzidenz-kroatien-schnelltest-urlaub-geretsried-bad-toelz-wolfratshausen-90858646.html

Um meine lange angestaute Destrudo endlich abzubauen: Da fährt also ein beträchtlicher Teil unseres zukünftigen geistigen Proletariats in vollgestopften Bussen in ein Land, in dem die Corona-Bestimmungen offensichtlich weniger streng beachtet werden als hierzulande, um dort mit 2000 Kollegen ähnlichen Bildungsniveaus abzufeiern. Und ist dann erstaunt, sich infiziert zu haben. Aber man wollte der Oma doch eh von der Reise noch etwas Schönes mitbringen. Und wenn es nur eine Vorverlegung des Erbfalls wäre…

Leider ist ein solches Maß an geistiger und sittlicher Verirrung nur denkbar mit den Passivitäten der Schulleitungen. Immerhin hat der Pfaffenhofener Direktor – wenn auch Fünf vor Zwölf – noch Reste an Konsequenz bewiesen, indem er die Abiturfeier absagte.

Sein Kollege an einem Nachbargymnasium dagegen sieht die Situation versöhnlicher: Der will die Zeugnisverleihung stattfinden lassen, natürlich ohne die Infizierten, welche aber per Livestream teilnehmen könnten. „Jetzt waren sie so lange in einer Blase. Aber ich habe auch Verständnis. Ich mache denen jetzt nicht mit erhobenem Zeigefinger einen Vorwurf." Jedenfalls, so zitiert ihn die Zeitung, möchte er nicht „den Moralapostel geben“.

Das erwartet auch keiner von ihm. Nicht mal, dass er irgendeinen Apostel darstellt, also an Glaubensverkündigungen mitwirkt. Mir würde es schon reichen, wenn er den Erzieher gäbe – und das möglichst über acht bis neun Jahre.

Was mich heute Morgen beschäftigte: Würde sein Pfaffenhofener Kollege seine Absage durchhalten, welche doch renommiersüchtige Eltern davon abhielte, sich gesellschaftlich als Erzeuger der neuen Bildungselite zu präsentieren? Bei der ersten Tasse Kaffee befragte ich dazu meine – in dem Fall mit speziellem Fachwissen ausgestattete – Gattin: „Hält der das durch?“ Meine Frau war sich sicher: „Ja, wenn der sich mal richtig ärgert, bleibt es dabei!“

Fünf Minuten später holte sie die Morgenzeitung herein: Die Abifeier finde nun doch statt – allerdings mit verschärften Infektionsschutzmaßnahmen und ohne große Reden. (Pfaffenhofener Kurier, 15.7.21, S. 17). Na klar, der Chef wird wenig Lust haben, seinen Abiturienten nun zu versichern, dass sie doch reif wären… Das Wichtigste aber: Er betont, seine Entscheidung habe nichts mit dem „Gegenwind zu tun, den er bekommen habe“.

Aber nein, wer könnte denn sowas denken… Genau das ist es, was mir meinen Beruf so vergällt hat: Es nützt nichts, wenn du als Lehrkraft konsequent bist. Irgendwann klappt das System wieder von oben herab um. Jedenfalls ist ein Arsch in der Hose keine Voraussetzung für die Besoldung nach A 16.

Und weil ich es mir nun eh gerade mit vielen verderbe: Mir hängt das ständige Gejammer über die „armen Jugendlichen“ meterlang zum Hals heraus. Klar, wir alle leiden an der Pandemie. Dass Oberstufen-Schülerinnen und Schüler an der Spitze der Passions-Charts stehen, ist jedoch eine gut gepflegte Mär. Ich habe in vielen Jahren Kollegstufen-Unterricht erlebt, was angehende Abiturienten vom Präsenz-Unterricht hielten – zumindest in Fächern, die fürs Abi-Punktekonto eher unbedeutend waren: Blaumachen war da ein Volkssport. Wenn man nun treuherzig bekundet, wie sehr man auf die analoge Nähe zur Lehrkraft angewiesen sei, sage ich mit Joschka Fischer: Ich kann Krokodile nicht weinen sehen.

Hätten die Pfaffenhofener Abiturienten das seelische Trauma, das Zeugnis nicht aus den Händen ihres Chefs zu erhalten, irgendwann überwunden? Ich bin da optimistisch: Als wir 1970 unser Abitur ablegten, verweigerten wir eine Abifeier, weil wir keine Lust hatten, ein autoritäres Schulsystem durch unsere Mitwirkung zu bestätigen. Wir holten uns den Wisch“ im Sekretariat ab. Zur Feier des Bildungsabschlusses gab es bei mir eine kleine Party im hauseigenen Garten, bei der viel getanzt und wenig gesoffen wurde. Unmittelbar danach trat ich eine Stelle als Werkstudent bei Audi an. Meine Eltern hätten mir eine 700 Mark-Reise eh nicht bezahlen können.

Na gut, nun müssen sich die Holledauer Jungakademiker halt in heimischen Gefilden zudröhnen. Dann darf die Polizei wieder – oft genug mit wenig Erfolg – Parks und Innenstädte von besoffenem Gesocks freiräumen.

Einen vollen Erfolg verzeichnete die Ordnungsmacht dagegen in Heidelberg: Einem Rentner, der im nächsten Monat 105 Jahre alt wird, ist es nun untersagt, in seinem Altstadtgässchen wie bisher an einem kleinen Tischchen vorm Haus des Abends sein Gläschen Wein zu genießen – manchmal auch mit zwei oder drei Freunden. Als Begründung müssen Rettungswege und „Biergarten-Chaos“ herhalten. Autos dürfen dort allerdings parken – und die Anwohner regelmäßig die Hinterlassenschaften feiernder Jugendlicher wegputzen.

105 Jahre… geboren also in den Notzeiten des 1. Weltkriegs, Wirtschaftskrise, Nazidiktatur, 2. Weltkrieg. Danach, so der alte Mann, habe schon seine Mutter an dieser Stelle gesessen und Kartoffeln geschält.

https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-104-jaehriger-darf-nicht-mehr-vorm-haus-in-der-altstadt-sitzen-_arid,704944.html

Schade, dass Heidelberg so weit weg ist. Ich hätte mit dem alten Herrn gerne mal – in der Tradition der 68er-Jahre – beim einem Glas Trollinger ein kleines Sit-in veranstaltet. Und die eventuell anrückende Ordnungsmacht mit einem Viertelpfündchen Satire traktiert sowie das Bußgeld aus der Portokasse spendiert.    

Mich hätte die Meinung des ältesten Bewohner Heidelbergs interessiert, was bei uns eigentlich heute aus den Fugen geraten ist.

P.S. Zur Feierkultur des modernen Abiturienten:

https://gerhards-lehrer-retter.blogspot.com/2019/07/die-pharisaer-erleben-den-aufstand.html

https://gerhards-lehrer-retter.blogspot.com/2016/03/abistreiche-dreistigkeit-kontra.html