Donnerstag, 16. Mai 2019

Pöbeln, spucken, treten


Gesellschaftliche Probleme werden vor Ort am deutlichsten – so gestern in einem Artikel des Pfaffenhofener Kuriers:

Beim Oberstimmer Barthelmarkt Ende August des letzten Jahres fiel ein betrunkener junger Mann der Polizei auf, da er am Straßenrand lag, mit den Beinen auf der Fahrbahn – und das ist halt gefährlich. Die Aufforderung, dies zu ändern, führte zu wüsten Beschimpfungen der Beamten, die sich schließlich gezwungen sahen, den 23-Jährigen mit zur Wache zu nehmen und in eine Ausnüchterungszelle zu sperren. Vorher und auch dort trat und spuckte der um sich und bedrohte einen Polizisten: „Wenn ich hier rauskomme, bringe ich dich um!“

Im selben Blatt fand ich zwei Artikel, in welchen die zunehmende Gewalt gegen Vollzugsbeamte, Rettungskräfte und Feuerwehrleute beklagt wird:

2018 stellte die Bundesregierung auf eine Anfrage hin fest, die Häufigkeit solcher Delikte sei in vier Jahren um 22 Prozent gestiegen. 2017 wurden 4527 Vollzugskräfte körperlich attackiert. In dieser Zahl sind Angehörige von Hilfsorganisationen noch gar nicht enthalten.
In 40 bis 50 Prozent der Fälle ist Alkohol im Spiel.


2017 wurden die Bestimmungen des Strafgesetzbuches erweitert und verschärft: Angriffe auf Mitglieder von Rettungsdiensten werden nun ebenso bestraft wie solche auf Polizeibeamte, Gerichtsvollzieher etc.

Nach § 113 StGB wird Widerstand gegen Diensthandlungen durch Gewalt oder deren Androhung mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe geahndet, in schweren Fällen (z.B. beim Einsatz von Waffen oder gemeinschaftlicher Begehung) ist Haft von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vorgesehen. Bei einem tätlichen Angriff gar gibt es nach § 114 StGB 6 Monate bis zu 5 Jahren.

In einem weiteren Artikel äußern sich ein Generalstaatsanwalt sowie der bayerische Justizminister Ende 2018, solche Delikte müssten schneller abgeurteilt werden. Im Regelfall nach zwei Wochen sollten die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sein.

Das scheint im obigen Fall noch nicht ganz gelungen: Fast 9 Monate hat es bis zum Urteil gedauert – in dieser Zeit kriegen Frauen Kinder…

Wie ging das Verfahren aus? Mit 1,96 Promille Alkohol, so der Richter, sei noch nicht ganz die Grenze zur eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit erreicht – da hätten es 2,0 Promille sein müssen, ab 3 Promille träte sogar Schuldunfähigkeit ein.

Weiterhin stellte der Richter bei der Befragung der Polizisten fest, die Tritte seien nicht gezielt, sondern unkoordiniert" gewesen. So kam man um wohl um den „tätlichen Angriff“ (§ 114 StGB) herum und landete somit lediglich beim „Widerstand“ nach § 113, wo ja eine Geldstrafe möglich ist, inclusive der Beleidigungen natürlich. Zudem hatte der Angeklagte nur kleinere Vorstrafen zu bieten und entschuldigte sich bei den Beamten: „Eigentlich“ habe er auch „Anstand“. Weiterhin, so der Richter, könne man zugunsten des Beschuldigten von einem „einheitlichen“ Tatgeschehen und nicht von Einzelhandlungen ausgehen. Fazit: 100 Tagessätze zu je 60 € - und nicht 9 Monate mit Bewährung, wie sie der Staatsanwalt immerhin forderte.

Man kann also in solchen Fällen nur raten, sich kräftig einen anzusaufen, bevor man sich mit Polizisten anlegt. Hätte der junge Mann die lächerlichen sowie fehlenden 0,04 Promille geschafft, wäre die Strafe wohl noch milder ausgefallen. Weiterhin sollte man durchgehend um sich schlagen und spucken – das kommt günstiger, als zwischendurch eine Pause zu machen. Und mit genügend Sprit in der Birne ist es weniger wahrscheinlich, dass man dabei trifft. Ach ja – entschuldigen sollte man sich auch noch – den Tipp hat jeder Verteidiger ohne Aufpreis parat…

Und wenn der junge Mann sich beim nächsten Volksfest wieder aufführt wie Rotz am Ärmel? Man kann ihn trösten: In den Bau muss er auch beim zweiten Mal kaum.

Vor ziemlich genau einem Jahr stand ein anderer „Barthelmarkt-Sünder“ vor dem Pfaffenhofener Schöffengericht: Obwohl er gerade einmal drei Monate vorher wegen des gleichen Delikts eine Bewährungsstrafe erhalten hatte, benutzte er nun erneut das Volksfest, um Randale zu machen. Zuerst legte er sich mit Sicherheitskräften an, anschließend vollführte er gegenüber der Polizei den üblichen Promille-Dreikampf: pöbeln, spucken, treten. Seine Drohungen gegenüber Polizistinnen, so die Presse, waren nicht jugendfrei.

Die Staatsanwältin forderte diesmal 10 Monate Haft – ohne Bewährung. Der Verteidiger sah das naturgemäß anders: Das Übel gehe nicht vom Mandanten, sondern vom Barthelmarkt aus. „Wäre er da ferngeblieben, dann wäre nichts passiert." Ob er sich bei den Polizisten entschuldigt habe? „Nein, sollte ich das?“ So bequemte sich der junge Mann dann doch noch (und auf Anstupsen durch seinen Anwalt) zu Bedauerns-Bekundungen.

Und überhaupt habe er nun einen „Arbeitsplatz mit Option auf Festanstellung“  (auch da sind Verteidiger manchmal behilflich) sowie eine eigene Wohnung (muss er wohl, da ihn seine Mutter rausgeschmissen hatte).

Daher summa summarum: 1 Jahr – wiederum auf Bewährung, inklusive einiger Auflagen (Anti-Aggressionstraining, Suchtberatung). Er soll doch im Leben wieder den Tritt fassen, den er gegenüber Polizisten ja schon bestens beherrscht…

Fast unnötig zu sagen: Auch hierzu benötigte die Justiz wieder 9 Monate nach Tatausführung.

Wie schreibt die Zeitung im obigen Artikel zur zunehmenden Gewalt gegenüber Einsatzkräften?

Sie werden geschlagen, bespuckt oder mit Böllern beworfen. Immer häufiger lassen Bürger ihren Frust an Polizisten aus. Woran das liegt, ist noch nicht hinreichend erforscht.“

Ich hätte da eine Idee: Es liegt sicherlich weder am Barthelmarkt noch am Bier. Ich kenne viele Betrunkene (einschließlich meiner Wenigkeit in ferner Vergangenheit), die werden ab einem bestimmten Pegel lustig oder müde, aber nicht aggressiv. Wer dann jedoch seine Aggressionen nicht mehr beherrschen kann, hatte sie bereits vorher.

Für mich zeigen solche Personen eine Charakterschwäche, die sicherlich verschiedene Ursachen haben kann und therapiert werden sollte. Eines muss allerdings dazukommen: Grenzen setzen – und zwar unmissverständliche.

Daher meine ich: Wer seine Hand gegen Polizisten oder Rettungskräfte erhebt, sollte sitzend und hinter Gittern Gelegenheit haben, darüber nachzudenken – und zwar umgehend. Von mir aus nur 14 Tage – das würde mehr bewirken als ein Jahr auf Bewährung.

Dann könnte sich auch die Polizei wieder wichtigeren Aufgaben zuwenden als des Nachts mit Besoffenen zu raufen!