„Bestimme im folgenden Text die Kasi!"
(Original-Frage aus einem Deutsch-Extemporale)
Geradezu reflexhaft hört man diesen Satz von Kollegen, wenn man sie nach Optionen der Freizeitgestaltung fragt. Nein, unmöglich, auf dem Schreibtisch türmten sich Schülerhefte oder gar Klassenarbeiten, die man „eigentlich“ (pädagogisches Lieblingswort) schon längst hätte zurückgeben müssen!
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Nun ist
diese Belastung natürlich auch fachspezifisch: Ein Sportlehrer oder
Kunsterzieher wird darüber weniger klagen als jemand, der Sprachen
unterrichtet. Dennoch stellt dieses Lamento
geradezu die „Nationalhymne“ des Philologenstands (also speziell der
Gymnasiallehrer) dar.
Würden
Sie gerne Ihre Arbeitszeit auf
diesem Sektor um ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte reduzieren? Dann lesen Sie bitte weiter:
Nach
meinen Erfahrungen sind die meisten Prüfungsaufgaben schlicht zu umfangreich. Oft muss dann die
Bearbeitungszeit für die Schüler noch verlängert werden mit der Folge, dass sie
zu spät in die nächste Stunde kommen (und Sie eventuell auch).
In der
bayerischen Schulordnung für die
Gymnasien beispielsweise sind Höchstzeiten
vorgeschrieben: So sollen Stegreifaufgaben nicht länger als 20 und Kurzarbeiten
nicht mehr als 30 Minuten dauern, Schulaufgaben in den Klassen 5-10 maximal 60
Minuten (außer im Fach Deutsch); siehe GSO §§ 22 und 23.
Ich
behaupte sogar: Ein Extemporale kann
man locker in höchstens 15 Minuten
hinkriegen – und ich sehe überhaupt keinen Grund, wegen einer Schulaufgabe, die
länger als eine Dreiviertelstunde
dauert, den ganzen Stundenplan durcheinanderzubringen (Deutschaufsätze in
höheren Jahrgangsstufen mal ausgenommen).
Und: Ein
„Kleiner Leistungsnachweis“ sollte auch deswegen nicht lange brauchen, da man
dann noch halbwegs Zeit hat, in dieser Stunde im Stoff voranzukommen – oder die Aufgabe mit der Klasse ausführlich
zu verbessern.
Wieso
die ellenlangen Prüfungszeiten? Im
Wesentlichen wohl aus der Angst heraus,
das Stoffgebiet nicht umfangreich genug
zu berücksichtigen und sich so „Zufallsergebnisse“ einzuhandeln. Dazu kenne ich eine
hübsche Parallele aus dem Tanzbereich:
Mir war bei Turnieren früher schleierhaft, wie die Wertungsrichter bei sechs
und mehr Paaren in höchstens anderthalb Minuten zu einer Punktebewertung kommen
konnten. Nach zirka 50 Jahren Erfahrung im Tanzbereich muss ich bei einem Paar
nur einige wenige Bewegungen sehen, um zu wissen, was es kann.
Also: Haben
Sie den Mut zur „Stichprobe“! Sie
können durch die geringere Korrekturzeit die Arbeiten auch schneller
zurückgeben und so für ein wirksameres Feedback
sorgen.
Schreiben
Sie in aller Ruhe die Musterlösung
und verdreifachen Ihre benötigte
Zeit – das ist dann die Bearbeitungsdauer
für Ihre Schüler! In der Praxis unterschätzt man nämlich diese Frist und muss sie
anschließend verlängern, weil die meisten Schüler noch schreiben – und so
rutscht man doch wieder in einen ellenlangen Zeitaufwand. Zudem wird bei solchem
Druck die äußere Qualität der
Arbeiten leiden – und das bezahlen Sie hinterher mit erhöhtem Aufwand, das
Geschmier zu entziffern!
Übrigens:
Wenn gut die Hälfte der Schüler
fertig ist (also der Durchschnitt), reicht das – sammeln Sie ein!
Geben
Sie sich lieber mit der Prüfungsangabe
große Mühe – jede Minute, welche Sie hierin investieren, bekommen Sie bei der
Korrektur mehrfach zurück! Einige Tipps
dazu:
Formulieren Sie klar, was
Sie bei einer Frage vom Prüfling
erwarten! Es ist ein Riesenunterschied, ob Sie beispielsweise schreiben:
„NENNE“,
„ZÄHLE AUF“: stichwortartige, meist reproduktive Angaben (ähnlich: Ausfüllen
eines Lückentextes, möglichst mit der Vorgabe: „JE EIN ZUTREFFENDES WORT“)
„GIB
WIEDER“, „WAS VERSTEHT MAN UNTER“: reproduktive Formulierung (z.B.
einer Definition) in ausführlicherer Form (meist Sätze)
„BESCHREIBE“:
Wiedergabe zusammenhängender Fakten (z.B. in einer Grafik) ohne Erklärungen
„ERKLÄRE“,
„ERLÄUTERE“, „ZEIGE AUF“: zielt darüber hinaus auf die
Darlegung
von Zusammenhängen
„BEGRÜNDE“:
fordert den Rückbezug auf Ursachen bzw. allgemeines
Basiswissen
„BEURTEILE“:
erwartet eine Wertung aufgrund gelernter Fakten und
mit
angemessener Selbstständigkeit
Natürlich
müssen Fragestellungen dabei sein, welche eine frei formulierte, zusammenhängende Antwort fordern, schon deshalb,
weil man stets auch sprachliche Kompetenzen prüfen sollte – nicht nur im Deutschen.
In der Praxis erfordert diese Prüfungsweise jedoch den meisten Korrekturaufwand und macht die Bewertungen schwieriger.
Daher
sollten Sie – je nach Fach – auch einfacher
zu beurteilende Aufgabenformen einsetzen, beispielsweise einen Multiple
Choice, Lückentext oder die Anfertigung bzw. Ergänzung einer Grafik oder
Skizze. Daher ist die „Angabenform“ meist geeigneter als das Beschriften leerer
Blätter.
Fragen
zum Grundwissen und vor allem Anwendungsbeispiele (Transfer) sind ein
Muss – ein Drittel (in den unteren Klassen) bzw. zwei Drittel (in der
Oberstufe) verhindern lediglich saisonale Bemühungen und vor allem das reine
Auswendiglernen von einer Stunde auf die nächste.
Natürlich
sollte man beim Korrigieren größte
Sorgfalt walten lassen. Bedenken Sie: Wenn Sie im Unterricht mal
irgendeinen Käse verzapfen, ist die Chance groß, dass es keiner merkt.
Prüfungsarbeiten dagegen werden ja nach
Hause mitgegeben – und irgendwelche Fehlleistungen
Ihrerseits dann genüsslich weitergetratscht oder gar zur Anfechtung einer Note
eingesetzt. Auch Rechtschreib- und Grammatikfehler müssen – in allen Fächern –
angemerkt werden, schon im Sinne einer umfassenden
Spracherziehung!
Andererseits
besteht jedoch kein Grund, in einen schriftlichen
Dialog mit dem Schüler einzutreten! Kürzel und höchstens sehr knappe
Anmerkungen reichen in der Regel völlig aus.
Korrigieren
Sie den Klassensatz aufgabenweise
durch! Sie müssen so zwar mehr blättern, sind aber dann voll in der
Fragestellung präsent und können die einzelnen Antworten hinsichtlich der
Bewertung gut vergleichen.
Rätseln
Sie nicht herum, was irgendein Geschmier wirklich heißen soll! Was nicht klar und eindeutig lesbar ist, wird
nicht gewertet – Sie sind kein Graphologe! Und Fachbegriffe müssen richtig geschrieben sein, sonst würde ich sie
nicht oder höchstens mit einem Teilpunkt berücksichtigen. „Bewerten Sie in Biologie auch Rechtschreibfehler?“ – diese dämliche
Frage wurde mir sehr häufig gestellt. Nein, aber eine korrekte Fachsprache!
Schulrechtlich
bewegen Sie sich da auf absolut sicherem Boden. So heißt es in der bayerischen
GSO (§ 26.1): „Bei der Bewertung einer
schriftlichen Arbeit kann die äußere Form mit berücksichtigt werden. Bei
schriftlichen Arbeiten sind Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit sowie
Ausdrucksmängel zu kennzeichnen und können angemessen bewertet werden.“
Sollten
hier dennoch Beschwerden kommen (und
das ist mehr als wahrscheinlich): Freuen Sie sich! Wenn Sie nämlich stur
bleiben, wird sich das herumsprechen – und selbst die größten Schlamper werden
sich um eine bessere äußere Form bemühen und Ihnen so Arbeitszeit ersparen.
Bei der
Benotung sollten Sie sich die
bundesweit geltenden Legaldefinitionen
ins Gedächtnis rufen:
1 (SEHR GUT): Leistung entspricht den
Anforderungen in besonderem Maße
2 (GUT): Leistung entspricht voll den
Anforderungen
3 (BEFRIEDIGEND): Leistung entspricht im
Allgemeinen den Anforderungen
4 (AUSREICHEND): Leistung weist zwar Mängel
auf, entspricht aber im Ganzen noch den Anforderungen
5 (MANGELHAFT): Leistung entspricht nicht
den Anforderungen, lässt jedoch erkennen, dass trotz deutlicher
Verständnislücken die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind
6 (UNGENÜGEND): Leistung entspricht nicht
den Anforderungen und lässt selbst die notwendigen Grundkenntnisse
nicht erkennen
Merke: Selbst bei einer Fünf müssen noch Grundkenntnisse vorhanden sein – und bei einer Zwei entspricht die Leistung „voll
den Anforderungen“! Aus meiner langjährigen Berufserfahrung weiß ich: Viele
Einser sind in Wahrheit Zweier – und noch mehr Vierer eigentlich Fünfer! Und
nicht Sie „geben Noten“ – die verschafft
sich der Schüler selber durch seine Leistung!
Heute
gehört es ja zum guten Ton, dass bei schlechten
Ergebnissen gerne mit dem Anwalt
gedroht wird. Wie sind die Erfolgsaussichten einer solchen Notenstreits?
Was dem
Laien selten klar ist: Das dann anzurufende Verwaltungsgericht ändert
keine Noten! Es stellt höchstens fest, dass eine Prüfung nicht den
gesetzlichen Vorgaben entsprach und daher wiederholt werden muss bzw. bei der
Zeugnisnote nicht berücksichtigt wird.
Grob
gesagt droht eine solche Entscheidung in zwei Fällen:
·
formale
Mängel
·
sachfremde
Erwägungen
In
allen Schulordnungen gibt es formale
Bestimmungen zu Zahl und Art von Leistungsnachweisen,
Fristen zu deren Ankündigung sowie Herausgabe und Gewichtung. Auch der korrekte
Lehrplanbezug ist entscheidend. Wenn
Sie da einen Fehler machen, haben Sie eventuell für den Papierkorb gearbeitet –
beim Zeitmanagement der worst case! Besprechen Sie solche Fragen gleich am Anfang des Schuljahres mit Ihren
Klassen – dann vermeiden Sie auch die Argumentation, man „habe dies alles nicht gewusst“!
Unter „sachfremden Erwägungen“ versteht der
Jurist das Ansehen der Person
anstatt der Leistung. Sollten Sie
also einen Schüler „auf dem Kieker“ haben (und so blöd sein, sich das anmerken zu
lassen), könnte es eng werden. Freilich muss die Klägerseite dann schon mehr
als vage Eindrücke ins Feld führen!
Weniger
bekannt ist jedoch, dass hierzu ebenso positive Gründe für die Heraufsetzung einer Note zählen. Ob der
Arme „immer so nervös“ ist, „Prüfungsangst“ (eine Normalität) oder „schwierige Familienverhältnisse“ hat,
darf bei der objektiven Leistungsbeurteilung
keine Rolle spielen! Das alles kann man am Schuljahresende erörtern, wenn es
beispielsweise um ein „Vorrücken auf Probe“ geht.
Aus
meiner Berufspraxis weiß ich: Das Hinaufmanipulieren
von Prüfungsergebnissen (gerade auch wegen „zu schlechter“ Durchschnitte)
ist ein weit größeres Problem als die berühmten „ungerechten schlechten Noten“.
Lassen
Sie sich also auf ein solches Bullshit-Bingo nicht ein! Korrigieren und benoten
Sie möglichst objektiv und konsequent, das reicht! Den Rest
überlassen Sie gerne den Rechtsanwälten – die sind es gewohnt, auch puren
Quatsch zu vertreten, da sie ein Leistungs-
und kein Erfolgshonorar erhalten. Lernen Sie an diesem Vorbild!
Pädagogen
sind Meister des masochistischen
Selbstbezugs: „Ich schreibe morgen
Schulaufgabe“ oder „ich habe einen
sehr schlechten Durchschnitt“ sind Formulierungen, die Sie sich abgewöhnen
sollten. Im Mediziner-Erfolgsroman „House
of God“ heißt es mit vollem Recht: „Der
Patient ist derjenige, welcher krank ist.“ Und auch im Gesundheitssektor
wird für Behandlung bezahlt, nicht
für Heilung!
Von den Ärzten lernen heißt siegen lernen!
Und Sie wissen ja: Sitzen ist nicht gut für Ihren BMI...
Und Sie wissen ja: Sitzen ist nicht gut für Ihren BMI...
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