Freitag, 23. Juni 2017

Zu viel Geld für die Schule



„Niemand kann zwei Herren dienen; entweder wird er den einen hassen und den andern lieben; oder er wird jenem anhängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“
(Matthäus 6.24)

Was wie ein bildungsfernes Luxusproblem klingt, wurde nun einem Schulleiter aus unserer Gegend (den ich sogar flüchtig kenne) zum Verhängnis: Wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilte ihn ein Amtsgericht zu zehn Monaten auf Bewährung und 5000 € Geldauflage. Nachdem sich die Berufung als aussichtslos erwies und daher das Urteil inzwischen rechtskräftig ist, wurde er nun auch als Leiter eines Gymnasiums in unserer Region vom Dienst suspendiert – mit seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist zu rechnen.

Bevor jetzt die berufsmäßigen Lehrer-Kritiker vorschnell das Messer wetzen: Er hat die Gelder wohl nicht für sich verwendet – vielmehr schien er nicht zu wissen, wohin damit.

Von vorn: Der Kollege machte recht schnell Karriere, arbeitete einige Zeit am ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung) und wurde schon mit 38 Jahren Chef eines Gymnasiums in kirchlicher Trägerschaft. Dort trugen sich die Geschehnisse zu, welche ihm letztlich den Hals brachen. Ob er sich deshalb nach einigen Jahren um die Position als Schulleiter an einem staatlichen Gymnasium bewarb, wäre verständlich, wird aber nirgends gesagt. Jedenfalls erhielt er den Posten und schien an seiner neuen Stelle auch recht beliebt zu sein.

Jetzt aber wurde er dort als „Gefährder des Schulfriedens“ zum Abschuss freigegeben. Die Abiturienten etwa wollten ihre Zeugnisse nicht aus seiner Hand entgegennehmen.“  So viel schon mal über die Einstellung unserer jungen Bildungselite zum Thema Resozialisierung…

Worum ging es? An der kirchlichen Schule übernahm er von seinem Vorgänger das (an vielen Schulen existierende) Konto für Klassenfahrten. Bald schon hatte er den Eindruck, dieses werde von „einen Goldesel, der sich irgendwo versteckt“, gespeist. Das Guthaben nahm ständig zu, wohl vor allem durch Überschüsse aus dem Automatenverkauf sowie von Firmenrabatten, welche ebenfalls auf diesem „Reptilienfonds“ eingingen.

Gleichzeitig hatte er von der kirchlichen Schulstiftung die Order, den Kontostand nicht über 1000 € steigen zu lassen. Und an diese zurückzahlen durfte er den Zaster auch nicht, da jene die Einnahmen sonst hätte versteuern müssen. (Und wie wir wissen, leben Kirchen von Steuereinnahmen und Fördergeldern, jedoch nicht von Steuerzahlungen…) Und er dürfe mit niemandem über dieses Problem sprechen – na klar.

Verzweifelt versuchte der Schulleiter nun, von diesem Mammon alle möglichen guten Zwecke zu fördern – von Honoraren und Geschenken für Referenten und zu Feiernde über die Förderung sozial schwacher Schüler bis hin zu einem Schulbus. Häufig vergeblich, denn auch die kirchliche Finanzbehörde schien zu viel Geld zu haben und zahlte aus eigener Tasche.

Wie in der Finanzwelt üblich: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen das Konto wuchs und wuchs. Schließlich kam der junge Chef auf die Kateridee, größere Beträge in bar abzuheben und im Tresor (oder sonstwo) zu deponieren sowie vor allem Geld auf eigenen Konten (respektive denen seiner Söhne) zwischenzuparken.

Der Knall erfolgte dann bei seiner Amtsübergabe: Dem Nachfolger war die Sache wohl zu suspekt, er schlug Krach. Nunmehr war die kirchliche Finanzverwaltung entsetzt über das monetäre Gebaren: Ob der Ex-Chef wohl das Geld für Bordellbesuche ausgegeben oder eine Wohnung für eine Freundin eingerichtet habe?“  Tja, die Kirche kennt sich halt mit der sinnvollen Verwendung von Guthaben aus… Man verlangte vom scheidenden Direktor die sofortige Rückzahlung von 71000 €, was auch umgehend geschah.

Vorsichtshalber riet man dem gebeutelten Schulleiter zu einer Selbstanzeige – nur zur Sicherheit, da könne nix passieren. Dessen heutige Erkenntnis „dass ich die erstattet habe, war der größte Blödsinn, aber ich hatte nach dem Gespräch mit der Schulstiftung immer eine Todesangst im Nacken”, ist sowohl wahr wie auch verspätet. Nun darf er die Zeche für ein Menü zahlen, das er weder bestellt noch alleine verspeist hat. Dass die Staatsanwaltschaft mit dem gleichen Eifer wie bei ihm auch die Frage der kirchlicherseits versuchten Steuerhinterziehung prüft, dürfte im katholischen Bayern nicht zu erwarten sein.

Ich sehe in der Geschichte drei Aspekte, die mir aus meiner eigenen Dienstzeit sehr vertraut sind:

Ein bestimmter Kollegentypus ist hierbei besonders gefährdet – jung, intelligent, ehrgeizig – und nicht selten aus der „Paradefachschaft“ bayerischer Gymnasien (Mathematik und Physik) stammend. Diese Personen legen öfters einen kometenhaften Aufstieg hin, wobei allerdings Selbstkritik und Bescheidenheit nicht im selben Maß mitwachsen. Spätestens bei der Überweisung auf eigene Konten hätte ihm klar sein müssen, dass auch ein Schulleiter nicht alles darf.

Was meist völlig bei solchen Kollegen fehlt, ist die Zivilcourage, sich auch einmal gegen Zumutungen von oben zu wehren. Die Erwartungshaltung seines kirchlichen Sachaufwandsträgers war eine solche. Warum nahm er sich nicht einen Anwalt, um seinen vorgesetzten Stellen den Marsch zu blasen? Vielleicht hätte dies einen Karriereknick bedeutet – aber der ist in der Denke dieses Persönlichkeitstypus nicht vorgesehen.

Besonders skandalös finde ich die Tatsache, dass hier das Problem „zu viel Geld“ war – und das in einer Zeit, wo es in den Schulen hinten und vorne fehlt: Da bröckelt der Putz von den Wänden, irgendwelche Reinigungsfirmen kehren den Dreck nur von einer Ecke in die andere (natürlich nicht im Chefbüro) und die Toiletten erreichen Guantanamo-Level. Da aber jeder Mist über mehrere Hierarchiestufen beim „Sachaufwandsträger“ erbeten werden muss, wachsen die Reptilienkonten.

Ich kann mir vorstellen, dass diese Affäre in so manchen Direktoraten für Achselnässe sorgen wird. Recht so – nur stellt euch auf die Hinterfüße, anstatt die Zustände demütig hinzunehmen!

Kabarettreif wirken im Nachhinein diverse Sprüche in einem Artikel zur Amtseinführung des einst beliebten Chefs. So bekannte er selber: „Ich bin nicht perfekt“ – und als seine wichtigsten Bildungsziele bezeichnete er „Einfühlungsvermögen, Moral, Offenheit, Neugier und Herzensbildung“. Na gut, so knapp die Hälfte hat er ja erreicht. Und der Schulchor sang den Titel „Fly with me“
Der Ministerialbeauftragte wiederum war sich sicher, „dass auf das (Gymnasium) spannende Zeiten zukommen, die er mit großem Interesse verfolgen“  werde.

Das ist doch tröstlich: Wenn wir uns höhere Bildungsbeamte leisten, können wir die Kristallkugeln einsparen!

P.S. Nur zur Sicherheit für die Juristen leitender Bildungsinstitutionen – dieser Text stellt lediglich die Quellenlage aus folgenden Veröffentlichungen kommentierend zusammen:

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