Zu
den Festtagen bekomme ich wieder viel Post – manchmal sogar mit interessanten „Jahresberichten“ von Freunden und
Bekannten. Üblicherweise lautet die darin propagierte Grundstimmung in unserem
Alter „Hauptsache gesund“ (was ich heftig bestreite). In diesem Jahr aber
werden fallweise Katastrophenszenarien
aufgemacht: Klar, der Syrienkrieg, die Flüchtlingskrise und der internationale
Terrorismus, zuletzt nun sogar in unserer Bundeshauptstadt mit Todesopfern!
Gerade
Lehrerkollegen können hierbei (trotz gesicherter Pension) ihr Naturtalent zum Jammern voll ausleben. So heißt es in
einem Weihnachtsbrief:
„Wir sitzen in
unserem (…), und in der Welt da draußen spielen sich Katastrophen ab.
Geldgierigen ist es einerlei, wenn der Lebensraum der Menschen auf den
Pazifischen Inseln im Meer versinkt. Der Klimawandel ist nur das Produkt der „Lügenpresse".
Hauptsache, die Aktien steigen, wie Trump vorausgesagt hat. Machtgierigen ist
es egal, dass Kinder im Schneegestöber fliehen, Väter in ihrer Heimat von neuen
Besitzern abgeknallt werden, Mütter verzweifeln, da sie ihren Kindern nur
Lehmkekse anbieten können und Größenwahnsinnige Menschen nach Religionen
sortieren und über Leben bestimmen. Die Europaidee gerät ins Wanken, und wir
können nur hoffen, vielleicht an einigen Stellen mithelfen, dass die Welt nicht
zu einem unmenschlichen Planet wird.“
Ein
anderer Kollege stellt fest:
„Hoffen wir nur, dass
im nächsten Jahr der Friede im Vordergrund steht. Der war noch nie so bedroht.“
Da
kamen mir die ersten Zweifel: Wie
war das denn beispielsweise 1962 bei der Kubakrise, als die Welt kurz vor einem
Atomkrieg stand? Ich war damals 11 Jahre und kann mich noch ansatzweise
erinnern! Oder etliche Jahre später, als wir gegen den Vietnamkrieg auf die
Straße gingen?
Aber
es gibt ja inzwischen Statistiken
für und gegen alles Mögliche. Wie steht es also heute mit Kriegsopfern,
Diktatur, Verbrechen und sozialer Ungerechtigkeit? Einige Stunden
Internet-Recherche brachten mir verblüffende Einsichten:
Demokratie auf dem
Rückzug?
Die
jüngste Entwicklung in der Türkei könnte das suggerieren. Tatsächlich sind
zirka 60 Prozent der Staaten auf dieser Welt mehr oder weniger demokratisch
verfasst. Nach dem „Demokratieindex“ der Zeitschrift „The economist“ hat sich
das in den letzten 10 Jahren kaum verändert. Unter 167 Ländern belegt Norwegen
Platz 1, Deutschland Rang 13, und das Schlusslicht Nordkorea überrascht wohl
niemanden.
Quellen:
Mord und Totschlag
zunehmend?
Bei
uns gab es nach einem Maximum Anfang der 1990-er Jahre (5,2 Taten pro 100000
Einwohner) einen kontinuierlichen Rückgang auf derzeit etwa 2,7. Damit liegen
wir auf einem der untersten Plätze
weltweit – bei einer Aufklärungsquote um die 95 Prozent!
Der
gefährlichste Aufenthaltsort, gerade für Frauen, ist das eigene Heim, da dort
meist die Beziehungstaten stattfinden.
Im
Schnitt starben europaweit in den letzten 20 Jahren 48 Menschen jährlich an
einem Terroranschlag – statistisch
ist also wahrscheinlicher, auf einer Autofahrt von uns aus nach Nizza tödlich zu verunglücken als dort einem
Anschlag zum Opfer zu fallen!
Das
Beste, was wir zur Ahndung von Verbrechen gegen das Leben tun könnten, wäre nicht
eine Verschärfung der Strafen, sondern die längst fällige bundeseinheitliche
Regelung der Leichenschau: Nach vorsichtigen
Schätzungen bleibt nämlich mindestens jedes zweite Opfer von Mord,
Vernachlässigung oder medizinischer Fehlbehandlung unentdeckt!
Immer mehr
Kriegsopfer?
Nach
dem 2. Weltkrieg wurde das Maximum von 600000 Toten (Koreakrieg 1950) nie mehr
erreicht. Große Anstiege waren vor allem um 1970 zu verzeichnen (400000 im
Bangladesch-Krieg), um 250000 Opfer jährlich zu Zeiten des 1. Golfkriegs, am
Anfang der 1990-er Jahre zirka 170000 im 2. Golfkrieg, Ende der 1990-er Jahre
etwa 150000 im 2. Kongokrieg.
Im
ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends wurde ein absoluter Tiefststand mit
etwa 20000 Kriegstoten pro Jahr verzeichnet, seit 2011 nun wegen des
Syrienkriegs eine Opferzahl von rund 70000 jährlich.
Allein
im 1. Weltkrieg fielen vor Verdun und in der Schlacht an der Somme jeweils über
300000 Soldaten!
Eine
Unzahl statistischer Daten liefert der amerikanische Hobby-Historiker Matthew White in seinem Online-Werk „Atrocitology“.
Danach waren die opferreichsten 7 Kriege in der Menschheitsgeschichte (nach der
Zahl der gefallenen Soldaten):
2.
Weltkrieg (1939-45): 20 Millionen
1.
Weltkrieg (1914-18): 8,5 Millionen
Koreakrieg
(1950-53): 1,2 Millionen
Chinesischer
Bürgerkrieg (1945-49): 1,2 Millionen
Vietnamkrieg
(1965-73): 1,2 Millionen
Erster
Golfkrieg (1980-88): 0,85 Millionen
Russischer
Bürgerkrieg (1918-21): 0,8 Millionen
Allerdings
steigt der Anteil der getöteten Zivilisten unentwegt: Im 2. Weltkrieg waren es
schätzungsweise zwei Drittel, was die Zahl der Opfer auf gut 60 Millionen
ansteigen ließ.
Der
Autor bemerkt dazu sarkastisch: „In einem
Krieg ist die Armee der sicherste Ort.“
Übrigens
hat sich historisch keine andere Religion so viele Scharmützel mit
Andersgläubigen geliefert wie das Christentum
– die Opfer waren allerdings an erster Stelle andere christliche Konfessionen,
erst danach kamen Muslims und Juden!
Bekanntlich
sind all diese Kriege schon ein paar Jahre her… und in Europa herrscht nun –
einmalig in der Geschichte – seit über 70 Jahren Friede!
Wachsende soziale
Ungerechtigkeit?
Ohne
Kommentar dazu zwei Statistiken, die mich wirklich verblüfften:
Deutschland:
staatliche Ausgaben pro Einwohner und Jahr für Sozialsysteme
1950:
73 €
1970:
335 €
1980:
2819 €
1990:
4357 €
2000:
6244 €
2010:
7659 €
„Die obersten 10 Prozent der
Einkommensteuerpflichtigen hatten im Jahr 2011 einen Anteil von 54,6 Prozent am
gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommen. Bei den untersten 50 Prozent waren
es lediglich 5,4 Prozent.“
(Nebenbei
ist mir schon auch klar, dass dies nur die direkten Steuern betrifft – aber Ärmere
zahlen wohl wegen des geringeren Konsums auch weniger Verbrauchssteuern wie
Mehrwertsteuer etc.)
Vielleicht
muss man ein Zitat aus einem der heurigen Weihnachtsbriefe vom Kopf auf die
Füße stellen:
„So konzentrieren sich Jung und Alt auf (wenn
vorhanden) das private Glück. Schließlich erleben wir die weltweiten
Katastrophen meist nur medial, also noch weit entfernt von unserem Alltag.“
Könnte
es eher sein, dass wir heute jeden negativen Vorfall auf der Welt binnen 5
Minuten auf dem Smartphone haben,
während die Nachricht früher der nächste Frachter nach 3 Monaten brachte – wenn
überhaupt?
Was
mich besonders fuchtig macht: Die Autoren solcher Apokalyptik sind Empfänger
einer nicht unerheblichen und sicheren Pension des Höheren Dienstes, ihre
Kinder durften studieren, was und wo sie wollten, die ganze Welt bereisen und
haben inzwischen einen sicheren Arbeitsplatz! Wäre das nicht Grund für ein paar
weihnachtliche Zeilen der Dankbarkeit?
Ehrlich
gesagt bin ich froh, dass solche Kollegen inzwischen nicht mehr die Gelegenheit
haben, ihre Schüler mit derartig unfrohen Botschaften zu versorgen, anstatt
ihnen den Optimismus zu lehren, die Welt habe es verdient, sich für Gutes zu engagieren!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.