Die
„Xing-Bildungsnews“
lieferten mir heute einen sehr aufschlussreichen Artikel von Dr.
Rainer Zitelmann. Der Autor gilt als führender Immobilienexperte und brachte
bereits 18 Bücher heraus. Der studierte Historiker hat Erfahrungen auf ganz
verschiedenen Berufsfeldern wie Journalismus, Lektorat, Versicherungswesen
sowie unternehmerische Tätigkeit: https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Zitelmann
Er
befasst sich in dem Beitrag mit der Illusion, ein Hochschulstudium sei auf
jeden Fall erstrebenswert und garantiere höchste Bildung sowie
Verdienstaussichten: „Ich habe als
Unternehmer über viele Jahre Hochschulabsolventen, die sich bei unserer Firma
beworben haben, einen kleinen Ausschnitt des LSAT-Tests durchführen lassen, den
Hochschulbewerber in den USA absolvieren müssen. Die meisten sind
durchgefallen.“ (LSAT: „Law School Admission Test“ – überprüft Leseverständnis
sowie logische und argumentative Begabungen von Studienbewerbern)
„Bei mündlichen Tests
merkte ich, dass viele Bewerber Textpassagen auswendig gelernt hatten - für
mich ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie die Inhalte nicht verstanden.
Heute wird an den Universitäten viel auswendig gelernt, denn das ist die
Methode für diejenigen, die intellektuell nicht in der Lage sind,
Sachzusammenhänge zu verstehen.
Bereits als Dozent an
der FU Berlin Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre war ich beim Lesen
vieler Hausarbeiten und Abschlussarbeiten verzweifelt. Ich fühlte mich so
ähnlich wie ein hochmusikalischer Mensch, der den ganzen Tag Anfängern zuhören
muss, wie sie auf einem hoffnungslos verstimmten Klavier spielen. Sätze fangen
irgendwo an und hören nirgendwo auf, sind logisch nicht stimmig und zeugen
eigentlich nur davon, dass der Student nicht richtig verstanden hat, was er da
überhaupt schreibt.“
Beim
Lesen dieser Zeilen musste ich an die letzte Folge von Günther Jauchs „Das große Zocker-Special“ vom 28.10.16 denken:
Zweifel
am universitären Bildungsniveau konnten einem schon kommen, wenn da als
Telefonjoker ein leibhaftiger Kunstprofessor „Josef K.“ nicht mit Franz
Kafka und schon gar nicht mit dessen bekanntestem Werk, „Der Prozess“, verbinden kann.
Wie
der Herr, so‘s Gescherr: Ebenfalls ahnungslos war ein Kandidat bei der Frage:
„Bei den Früchten
welches Baums handelt es sich um Flügelnüsse?“
- Birke
- Eichel
- Pappel
- Fichte“
Aber
die Rettung nahte ja in Form eines Studenten des Forst-Ingenieurwesens im 5.
Semester als Publikums-Kandidat: Das müsse wohl „zu 70 Prozent“ die Fichte sein!
Nun
muss vielleicht nicht mal ein angehender Fachmann auf genanntem Gebiet wissen,
dass man die kleinen, mit einem dünnen Rand versehenen Bummerl der Birke „Flügelnüsse“
heißt. Wer allerdings als Hochschulstudent in einem zumindest botanisch beeinflussten
Fach keine Ahnung davon hat, dass natürlich Fichten als Vertreter der Nacktsamigen Pflanzen („Gymnospermen“) überhaupt keine Früchte haben können,
muss sich schon fragen lassen, was er an einer Hochschule überhaupt will… und
die Hochschule, was sie ihm bietet! Vielleicht könnten die dortigen Professores
wieder einmal mehr Wert auf Zusammenhänge statt Auswendiggelerntem legen – auch
auf die Gefahr hin, damit die Mehrheit ihrer Klientel zu überfordern… (Als
ehemaliger mündlicher Prüfer in Staatsexamina weiß ich ungefähr, wovon ich da
spreche…)
Da
wundern einen die von Zitelmann
zitierten Zahlen dann nicht mehr:
„Im Jahr 2000
studierten 33% eines Jahrgangs, heute sind es 59%.“ (…) „Bis zu 50% brechen ihr Studium ab Dass immer mehr junge Menschen
Abitur machen und studieren, ist weder eine Folge davon noch hat es dazu
geführt, dass die Zahl der begabten und intelligenten Menschen gleichermaßen
gestiegen wäre. 60.000 bis 75.000 Studenten brechen jedes Jahr ihr Studium ab,
das sind 28 Prozent. In Fächern wie Bauingenieurwesen und Mathematik, wo man
sich mit ‚labern‘ nicht durchmogeln kann, liegt die Abbruchquote bei etwa 50
Prozent.“
Auf
der Hochschulseite sieht der Autor ein falsches Anreizsystem und zitiert dazu die
„Welt am Sonntag“: „Jede Hochschule, die
einen neuen Studienplatz meldet, bekommt dafür derzeit 26.000 Euro überwiesen -
ganz gleich, ob der Student auf diesem Platz sein Studium erfolgreich
abschließen wird oder nach einem Semester wieder abbricht. Viele Hochschulen
öffnen ihre Tore, kassieren und kümmern sich dann wenig um ihre
Studenten."
Und
selbst die, welche einen Abschluss schaffen, müssen sich anschließend oft mit „Eingangsgehältern unter 2000 Euro monatlich“
oder „befristeten Verträgen“ abfinden
– und ich füge hinzu: nicht selten auch mit minderqualifizierten Jobs oder gar
Arbeitslosigkeit.
So
kann man Zitelmanns Folgerung nur
zustimmen: „Ein Studium ist eine tolle
Sache - ich habe sehr gerne studiert. Aber es eignet sich eben nicht für jeden,
und wahrscheinlich nicht einmal für meisten jungen Menschen als Einstieg in das
Berufsleben.“
Genüsslich weist der Autor auf das
Buch von Woody Woodward „Millionaire
Droupouts. Inspiring Stories of
the World's Most Successful Failures" hin: Viele höchst erfolgreiche Unternehmer und Selbstständige haben
weder Abitur noch gar ein Hochschulstudium vorzuweisen. Aber selbst deutsche
BWL-Studenten würden auf unternehmerische Themen nicht vorbereitet – und auf
der anderen Seite seien in diesem Sommer noch 172000 Lehrstellen unbesetzt.
Aber
in Deutschland gilt offenbar nur der etwas, welcher einen Schein vorweisen
kann: Abitur oder, noch besser, einen Studienabschluss. Dass selbiger Schein
dann oft genug trügt, wird ignoriert – und erst recht derjenige, welcher sich
als Autodidakt in eine Sache
vertieft hat und vielleicht gar (man wagt das Wort kaum noch auszusprechen)
über eine herausragende Begabung
verfügt. Wenn er dann die Schar der universitären Diplominhaber in den Schatten
stellt, gilt dies bestenfalls als Betriebsunfall…
Der
Komödienautor Curt Goetz beschreibt
in „Frauenarzt Dr. Prätorius“ einen
solchen Fall: „Was man ihm nicht
verzeiht, ist, dass er mit Mitteln arbeitet, die in Apotheken nicht erhältlich,
mit Methoden, die streberhaft nicht erlernbar sind, sondern persönliche
Fähigkeiten voraussetzen, von denen man zwar Proben, aber keine Prüfungen
ablegen kann.“
Den
gesamten Text des Artikels findet man hier:
Und noch der Link zum neuesten Buch des Autors:
Schnell
noch als Zusammenfassung für nicht eben textsichere Abiturienten:
Die Kombination „sauberer
Bürojob + hohes Gehalt + von nichts ‘ne Ahnung“ ist selten!
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