Die
Fakten sind hinlänglich bekannt:
Am
16.8. dieses Jahres berichtete ein Team
des ZDF für die Sendung „Frontal 21“
über eine Pegida-Demonstration in
Dresden aus Anlass des Besuchs der Bundeskanzlerin. Ab 17.40 Uhr werden
Demonstranten gefilmt, die das Reporterteam mit „Lügenpresse“ beschimpfen.
Ein
Herr im nationalfarbenen Krawallhütchen
geht den Journalisten nicht mehr von der Backe, sondern läuft immer dichter an
die Kamera, während er sich lautstark beschwert, man habe ihn „ins Gesicht
gefilmt“, was eine „Straftat“ sei. Ersichtlich ist er darauf aus, dass sich die
Polizei einschaltet.
Die
schreitet ab 17.43 Uhr ein – gegen die
Reporter: Deren Personalien
(nicht die des Beschwerdeführers) werden kontrolliert. Nach 10 Minuten scheint
alles abgeschlossen. Nein: Nun fühlt sich der Nächste (angeblich ein bekannter
Rechtsradikaler aus Freital) vom Kameramann beleidigt. Daher artet die Chose in eine „polizeiliche Maßnahme“ aus: Umständlich werden erneut die
Ausweispapiere überprüft (anscheinend wieder nur von den Journalisten) – es entspinnt
sich ein langer Wortwechsel über Pressefreiheit
und ob respektive warum diese nun ausgesetzt sei. An der Sichtung des
ZDF-Videomaterials sind die Ordnungshüter nicht interessiert. Um 18.32 Uhr,
also nach über einer Dreiviertelstunde erst, kann das TV-Team seine Arbeit
endlich fortsetzen.
In
der Folge beschwert sich der ZDF-Intendant über diese Behinderung der
Pressearbeit – und der sächsische
Ministerpräsident Kretzschmer (CDU) befindet im Schnellverfahren, nur die
Polizisten hätten sich „seriös“
verhalten. Da mag selbst der Koalitionspartner nicht mehr mithalten – sein Stellvertreter
Dulig (SPD) hat wegen der jahrelangen Verharmlosung des Rechtsradikalismus in Sachsen
schon immer alles kommen sehen.
Peinlicherweise
stellt sich zu allem Überfluss heraus, der „Hutbürger“, welcher die ganze Posse
ausgelöst hatte, sei ein Mitarbeiter des
Landeskriminalamts Sachsen – zwar kein Beamter, aber doch immerhin mit
Zugriff auf sensible Polizeidateien. Seiner nationalen Betätigung sei er jedoch
im Urlaub nachgegangen. In den folgenden Tagen lassen die deutschen Medien kein
gutes Haar am sächsischen Verständnis von Pressefreiheit. Nun ist die
Geschichte ganz oben angekommen:
Statement der Kanzlerin sowie der Bundesjustizministerin, in Sachsen tagt der
Innenausschuss.
Gestern
nun trafen sich Vertreter des ZDF und der Polizei zu einem Gespräch. Ergebnis:
Laut den Fernsehleuten habe sich der
Polizeipräsident bei ihnen entschuldigt – die Kontrolle habe viel zu lange
gedauert. In die Kameras sagen mochten dies die hohen Herrn von der Polizei
jedoch nicht. Stattdessen wurde ein schriftliches Statement angekündigt – und natürlich
gründlichste „Aufarbeitung“ der Vorkommnisse.
Ich
frage mich, was es da – nach über einer Woche – noch aufzuarbeiten gibt: Für
mich war die ganze Aktion eine reine
Schikane. Offenbar galt es, die missliebigen Journalisten so lange wie
möglich aus dem Spiel zu nehmen, auf dass die „Wutbürger“ nicht mehr als
unbedingt nötig gereizt würden.
Skandalös
ist vor allem, dass die Polizeibeamten hier ja nicht mit rechtlich diffizilen Fragen konfrontiert waren. Wer bei
Demonstrationen eingesetzt ist, sollte den § 23 des Kunsturhebergesetzes kennen. Danach kann sich nicht auf das Recht am eigenen Bild berufen, wenn „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und
ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“,
gefertigt werden.
Problematisch
wäre lediglich, einzelne Personen ohne triftigen Grund in Nahaufnahme zu zeigen. Aber dafür hat der besagte Herr ja selber
gesorgt, indem er auf die Kamera zulief, anstatt einfach weiterzugehen, wie man
ihm anbot. Und nun ist er eh eine „Person der Zeitgeschichte“.
Und
wenn sich einer beleidigt fühlt,
muss er halt – da dies kein „Offizialdelikt“ darstellt, einen Strafantrag stellen. Zudem sollte bekannt sein, dass diese Konfrontationsstrategie bei den Rechten Methode hat: Zuerst Journalisten anpöbeln, sich anschließend bei der Polizei beschweren in der Hoffnung, diese behindere deren Arbeit. (Und natürlich hat der „Beleidigte" seine Anzeige inzwischen zurückgezogen...)
In
beiden Fällen wäre es also, wenn schon, angebracht gewesen, die Personalien und Aussagen der gefühlt Geschädigten
aufzunehmen, was offenbar überhaupt nicht geschah. Stattdessen befasste man
sich ausführlich mit den Pressevertretern. Bei denen hätte eine kurze Erfassung
und Überprüfung ihrer Personalien
genügt. Wären dann tatsächlich Strafanträge erfolgt, hätte man deren Darstellung
auch später noch einholen können – wobei für Beschuldigte einer Straftat eh ein
Aussageverweigerungsrecht gilt.
Wenn
nun verlautet, man müsse die sächsischen Beamten besser schulen, dreht sich mir
der Magen um: Ein solches Totalversagen
bei einfachsten polizeilichen Maßnahmen ist mit Unkenntnis nicht zu erklären, sondern ausschließlich mit Vorsatz: „Pegizei“? Man sollte mit
pauschalen Verdächtigungen vorsichtig sein. Ein Übermaß an Neutralität haben
die Dresdner Cops jedoch nicht direkt bewiesen. Es ist sicher verständlich,
dass weite Teile der Polizei – nicht nur in Sachsen – zu rechten politischen
Einstellungen neigen. Täglich müssen sie vor Ort für politische Fehler den Kopf
hinhalten und sich anpöbeln lassen. Da neigt man schnell zu Law and
order-Einstellungen. Wer diese jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren
kann, hat bei der Polizei nichts zu suchen.
Wahrscheinlich
wird nie herauskommen, was sich da wirklich hinter den Kulissen abspielte. Ich stelle mir dies (mit etwas
Satire) so vor:
„An die
Einsatzleitung: Hier machen Reporter vom ZDF mal wieder Ärger. Ein Bürger hat
sich schon lautstark beschwert.“
„Die Presseheinis aus
der Situation rausnehmen und möglichst lang kontrollieren.“
„Könnt ihr euch drauf
verlassen.“
Man
sieht es den jungen Polizisten im
Actionfilm-Kostüm förmlich an, wie saucool sie sich vorkommen. Lediglich bei
der Frage, wie nun genau der Vorwurf
laute, gerät der angesprochene Beamte ein wenig ins Stocken…
Was
sie nun von ihren Vorgesetzten zu
erdulden haben, kann ich mir ungefähr denken: „Ja schon a bissele länger – aber doch nicht gleich so…“
Wie
man’s macht, ist es verkehrt! Das Ganze hat durchaus kabarettistische Züge. So
kommentiert Joachim Huber vom „Tagesspiegel“:
„In die ‚heute-show‘
des ZDF hätte er prima gepasst mit seinem Anglerhütchen in den deutschen
Nationalfarben, mit seiner ärmellosen Funktionsjacke, die sich beim Schließen
hoffentlich über den Bauch zwängen lässt. Dann trägt er ein Hemd, dessen
Farbspektrum jede Geschmacksgrenze sprengt. Er herrscht das ZDF-Drehteam an ‚Sie
haben misch ins Gesischt gefilmd‘, offenbar stammt er aus Sachsen. Die Polizei sieht
er als erstbesten Freund und engen Verbündeten, jedenfalls bringt er die
Uniformierten dazu, den Dreh zu unterbrechen.
Alles Fake, der
Hutbürger gecastet als Wutbürger, eine überspitzte Karikatur, damit sich das ‚heute-show‘-Publikum
vor Lachen biegen kann, wie doof kann rechts sein? Nein, die Satireshow wurde
von der Wirklichkeit rechts überholt.“
https://www.tagesspiegel.de/medien/hutbuerger-der-haessliche-deutsche-ist-wieder-da/22951634.html
Wahrlich: „Maschendrahtzaun und Knallerbsenstrauch" lassen grüßen...
Wahrlich: „Maschendrahtzaun und Knallerbsenstrauch" lassen grüßen...
Daher
habe ich den Titel meines Artikels einem Programm der legendären „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“
aus dem Jahr 1963 entnommen: „Halt die Presse“. Es ist vergnüglich,
sich einmal anzuhören, wie aktuell die damaligen Texte schon wieder sind.
Zwischendurch
dachte ich allerdings, wir wären schon mal weiter.
P.S.
Informationen des ZDF:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/fragen-und-antworten-zum-pegida-zdf-fall-in-dresden-100.html
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