Samstag, 25. August 2018

Halt die Presse


Die Fakten sind hinlänglich bekannt:

Am 16.8. dieses Jahres berichtete ein Team des ZDF für die Sendung „Frontal 21“ über eine Pegida-Demonstration in Dresden aus Anlass des Besuchs der Bundeskanzlerin. Ab 17.40 Uhr werden Demonstranten gefilmt, die das Reporterteam mit „Lügenpresse“ beschimpfen.

Ein Herr im nationalfarbenen Krawallhütchen geht den Journalisten nicht mehr von der Backe, sondern läuft immer dichter an die Kamera, während er sich lautstark beschwert, man habe ihn „ins Gesicht gefilmt“, was eine „Straftat“ sei. Ersichtlich ist er darauf aus, dass sich die Polizei einschaltet.

Die schreitet ab 17.43 Uhr ein – gegen die Reporter: Deren Personalien (nicht die des Beschwerdeführers) werden kontrolliert. Nach 10 Minuten scheint alles abgeschlossen. Nein: Nun fühlt sich der Nächste (angeblich ein bekannter Rechtsradikaler aus Freital) vom Kameramann beleidigt. Daher artet die Chose in eine „polizeiliche Maßnahme“ aus: Umständlich werden erneut die Ausweispapiere überprüft (anscheinend wieder nur von den Journalisten) – es entspinnt sich ein langer Wortwechsel über Pressefreiheit und ob respektive warum diese nun ausgesetzt sei. An der Sichtung des ZDF-Videomaterials sind die Ordnungshüter nicht interessiert. Um 18.32 Uhr, also nach über einer Dreiviertelstunde erst, kann das TV-Team seine Arbeit endlich fortsetzen.

In der Folge beschwert sich der ZDF-Intendant über diese Behinderung der Pressearbeit – und der sächsische Ministerpräsident Kretzschmer (CDU) befindet im Schnellverfahren, nur die Polizisten hätten sich „seriös“ verhalten. Da mag selbst der Koalitionspartner nicht mehr mithalten – sein Stellvertreter Dulig (SPD) hat wegen der jahrelangen Verharmlosung des Rechtsradikalismus in Sachsen schon immer alles kommen sehen.

Peinlicherweise stellt sich zu allem Überfluss heraus, der „Hutbürger“, welcher die ganze Posse ausgelöst hatte, sei ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts Sachsen – zwar kein Beamter, aber doch immerhin mit Zugriff auf sensible Polizeidateien. Seiner nationalen Betätigung sei er jedoch im Urlaub nachgegangen. In den folgenden Tagen lassen die deutschen Medien kein gutes Haar am sächsischen Verständnis von Pressefreiheit. Nun ist die Geschichte ganz oben angekommen: Statement der Kanzlerin sowie der Bundesjustizministerin, in Sachsen tagt der Innenausschuss.

Hier der bemerkenswerte Vorgang noch einmal als Video:



Gestern nun trafen sich Vertreter des ZDF und der Polizei zu einem Gespräch. Ergebnis: Laut den Fernsehleuten habe sich der Polizeipräsident bei ihnen entschuldigt – die Kontrolle habe viel zu lange gedauert. In die Kameras sagen mochten dies die hohen Herrn von der Polizei jedoch nicht. Stattdessen wurde ein schriftliches Statement angekündigt – und natürlich gründlichste „Aufarbeitung“ der Vorkommnisse.

Ich frage mich, was es da – nach über einer Woche – noch aufzuarbeiten gibt: Für mich war die ganze Aktion eine reine Schikane. Offenbar galt es, die missliebigen Journalisten so lange wie möglich aus dem Spiel zu nehmen, auf dass die „Wutbürger“ nicht mehr als unbedingt nötig gereizt würden.

Skandalös ist vor allem, dass die Polizeibeamten hier ja nicht mit rechtlich diffizilen Fragen konfrontiert waren. Wer bei Demonstrationen eingesetzt ist, sollte den § 23 des Kunsturhebergesetzes kennen. Danach kann sich nicht auf das Recht am eigenen Bild berufen, wenn „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“, gefertigt werden.
Problematisch wäre lediglich, einzelne Personen ohne triftigen Grund in Nahaufnahme zu zeigen. Aber dafür hat der besagte Herr ja selber gesorgt, indem er auf die Kamera zulief, anstatt einfach weiterzugehen, wie man ihm anbot. Und nun ist er eh eine „Person der Zeitgeschichte“.

Und wenn sich einer beleidigt fühlt, muss er halt – da dies kein „Offizialdelikt“ darstellt, einen Strafantrag stellen. Zudem sollte bekannt sein, dass diese Konfrontationsstrategie bei den Rechten Methode hat: Zuerst Journalisten anpöbeln, sich anschließend bei der Polizei beschweren in der Hoffnung, diese behindere deren Arbeit. (Und natürlich hat der Beleidigte" seine Anzeige inzwischen zurückgezogen...)

In beiden Fällen wäre es also, wenn schon, angebracht gewesen, die Personalien und Aussagen der gefühlt Geschädigten aufzunehmen, was offenbar überhaupt nicht geschah. Stattdessen befasste man sich ausführlich mit den Pressevertretern. Bei denen hätte eine kurze Erfassung und Überprüfung ihrer Personalien genügt. Wären dann tatsächlich Strafanträge erfolgt, hätte man deren Darstellung auch später noch einholen können – wobei für Beschuldigte einer Straftat eh ein Aussageverweigerungsrecht gilt.

Wenn nun verlautet, man müsse die sächsischen Beamten besser schulen, dreht sich mir der Magen um: Ein solches Totalversagen bei einfachsten polizeilichen Maßnahmen ist mit Unkenntnis nicht zu erklären, sondern ausschließlich mit Vorsatz: „Pegizei“? Man sollte mit pauschalen Verdächtigungen vorsichtig sein. Ein Übermaß an Neutralität haben die Dresdner Cops jedoch nicht direkt bewiesen. Es ist sicher verständlich, dass weite Teile der Polizei – nicht nur in Sachsen – zu rechten politischen Einstellungen neigen. Täglich müssen sie vor Ort für politische Fehler den Kopf hinhalten und sich anpöbeln lassen. Da neigt man schnell zu Law and order-Einstellungen. Wer diese jedoch nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren kann, hat bei der Polizei nichts zu suchen.

Wahrscheinlich wird nie herauskommen, was sich da wirklich hinter den Kulissen abspielte. Ich stelle mir dies (mit etwas Satire) so vor:

„An die Einsatzleitung: Hier machen Reporter vom ZDF mal wieder Ärger. Ein Bürger hat sich schon lautstark beschwert.“

„Die Presseheinis aus der Situation rausnehmen und möglichst lang kontrollieren.“

„Könnt ihr euch drauf verlassen.“

Man sieht es den jungen Polizisten im Actionfilm-Kostüm förmlich an, wie saucool sie sich vorkommen. Lediglich bei der Frage, wie nun genau der Vorwurf laute, gerät der angesprochene Beamte ein wenig ins Stocken…

Was sie nun von ihren Vorgesetzten zu erdulden haben, kann ich mir ungefähr denken: „Ja schon a bissele länger – aber doch nicht gleich so…“

Wie man’s macht, ist es verkehrt! Das Ganze hat durchaus kabarettistische Züge. So kommentiert Joachim Huber vom „Tagesspiegel“:

„In die ‚heute-show‘ des ZDF hätte er prima gepasst mit seinem Anglerhütchen in den deutschen Nationalfarben, mit seiner ärmellosen Funktionsjacke, die sich beim Schließen hoffentlich über den Bauch zwängen lässt. Dann trägt er ein Hemd, dessen Farbspektrum jede Geschmacksgrenze sprengt. Er herrscht das ZDF-Drehteam an ‚Sie haben misch ins Gesischt gefilmd‘, offenbar stammt er aus Sachsen. Die Polizei sieht er als erstbesten Freund und engen Verbündeten, jedenfalls bringt er die Uniformierten dazu, den Dreh zu unterbrechen.

Alles Fake, der Hutbürger gecastet als Wutbürger, eine überspitzte Karikatur, damit sich das ‚heute-show‘-Publikum vor Lachen biegen kann, wie doof kann rechts sein? Nein, die Satireshow wurde von der Wirklichkeit rechts überholt.“
https://www.tagesspiegel.de/medien/hutbuerger-der-haessliche-deutsche-ist-wieder-da/22951634.html

Wahrlich: Maschendrahtzaun und Knallerbsenstrauch" lassen grüßen...

Daher habe ich den Titel meines Artikels einem Programm der legendären „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ aus dem Jahr 1963 entnommen: „Halt die Presse“. Es ist vergnüglich, sich einmal anzuhören, wie aktuell die damaligen Texte schon wieder sind.

Zwischendurch dachte ich allerdings, wir wären schon mal weiter.

Sind wir nicht.




P.S. Informationen des ZDF:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/fragen-und-antworten-zum-pegida-zdf-fall-in-dresden-100.html 

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