Montag, 24. Juli 2017

Zimtschnecken und Glücksmomente



„Und die meisten Toggenburger fanden:
Endlich hätten sie das Stück verstanden.“
(Erich Kästner: Hamlets Geist)

Mit der Kultur in unserer Kreisstadt Pfaffenhofen an der Ilm ist das so eine Sache: Als Transporteur ästhetischer Anliegen kommt dort nur zu Wort oder Tat, wer von einem Trust kommunaler Juroren für würdig befunden wird.

Der ortsansässige Autor Steffen Kopetzky (immerhin mit einem eigenen Wikipedia-Eintrag) hat das Glück, als städtischer Kulturreferent sowohl Bestimmer als auch Auserwählter zu sein.

Daher werden seine Auftritte in der Hallertauer Region von der regionalen Presse stets ausgiebig gewürdigt. Ein Kritiker des „Pfaffenhofener Kuriers“ hat die sich einzustellende Begeisterung über das neuste Schaffen des Meisters in Worte gekleidet, welche mir heute schon zum Frühstück via Lachanfall den ganzen Tag verschönten. Wohl unbeabsichtigt gelang dem Reporter eine glitzernde Satire auf den provinziellen Kunstbetrieb.

Zur Sache: Der Braunschweiger Kunstprofessor Wolfgang Ellenrieder hat eine „begehbare Installation“ geschaffen, welche er „Kiosk des Glücks“ nannte. Leider passte das Dingen zwar schon vor die Münchner Pinakothek der Moderne, jedoch nicht in die Pfaffenhofener Kunsthalle (was man durchaus metaphorisch verstehen könnte).

Dies hinderte den örtlichen Literatur-Doyen allerdings nicht daran, wenigstens zum Katalog einen „Essay in drei Schichten“ mit dem Titel „Knoten meiner schlaflosen Nächte“ zu verfassen. Erwähnenswert scheint dem Reporter auch, dass Kopetzky für die Gäste lediglich zwölf Stühle herbeigeschafft hatte, sich dann aber auf Bierbänke verlegen musste, auf dass die rund 50 Zuhörer schließlich sitzen konnten. (Nun gut, meine Zauberauftritte bei der Pfaffenhofener Gartenschau lockten zirka 200 Zuschauer an, was der Presse nicht eine Zeile Bericht wert war…).

Kopetzky spannte wohl in seinen Essays einen weiten Rahmen – von zufälligen Begegnungen auf einem Literaturfestival in Indien bis zur Frage, warum man nix mehr lesen kann, wenn man alle Buchstaben einer Geschichte übereinander druckt. Oder ob eine Erzählung noch verständlich sei, wenn sie nur aus dem Satz bestehe: „Als er aufwachte, war der Dinosaurier immer noch da.“ Ebenfalls aus dem Mesozoikum dürfte ein bekannter jiddischer Witz sein, den der Autor ebenfalls für mitteilenswert hielt und – da der Journalist ihn offenbar kapierte – immerhin eine halbe Spalte der Kritik füllt.

Zeitweise fühlte man sich angeblich auch in die „Atmosphäre eines indischen Hotel-Bistros“ oder die „Raucherlounge des Flughafens von Abu Dhabi“ versetzt. Auf solche Zusammenhänge muss man erstmal kommen! Und, wie wahr und dringend nötig: „Immer wieder greift der Sprachästhet zur Semantik“. Kann man statt „Milch“ nicht auch „Leiter“ sagen? Muss man doch mal fragen dürfen…

Immerhin des Autoren Gattin habe das bereits begriffen und einen Gefrierbeutel mit Zimtschnecken als „Schinken“ beschriftet. Für den Zimt, so die abschließende frohe Presse-Botschaft, gab es „begeisterten Applaus“. Dies freilich lässt uns an einer Kernbotschaft des Schriftstellers zweifeln:

„Kein Wort ist notwendig.“

(Quelle: http://www.donaukurier.de/lokales/pfaffenhofen/Kleine-Gl-uuml-cksmomente;art600,3471484)

Mittwoch, 12. Juli 2017

Gaga 20



„Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande.“
(Ludwig Thoma: Der Vertrag)

Über die Ereignisse des letzten Wochenendes in Hamburg ist weiß Gott schon genügend geredet und geschrieben worden – selbst von Leuten, welche davon etwas verstehen.

Glücklicherweise kann ich mir daher die Empörung über den dort grassierenden Mob und die Verwüstung ganzer Stadtviertel schenken – ebenso wie über die Arroganz und Abgehobenheit, eine internationale Konferenz mit zirka 10000 Teilnehmern nur wenige Steinwürfe (!) von einem Zentrum linksextremen Gedankenguts zu veranstalten, wo sich der Senat der Freien und Hansestadt schon seit Jahrzehnten im Ertragen von Gesetzesbrüchen übt.

Weiterhin fällt es mir als gelerntem Sozi leicht, ein Loblied auf die Versammlungsfreiheit zu singen – diese und andere Grundrechte sind ja im besten Staat, den es je auf deutschem Boden gab, zumindest grundsätzlich nicht mehr strittig.

Ob aufgeplusterte Treffen wie der  G 20-Gipfel sinnvoll und zielführend sind, darf gerne bezweifelt werden – und natürlich sah Hamburg eine Vielzahl sympathischer und bedenkenswerter Protestaktionen.

Aber vielleicht ist es mir in meinem Alter gestattet, Jüngere darauf hinzuweisen, dass es Zeiten gab, in denen sich die Mächtigen nicht zu persönlichen Gesprächen trafen, sondern (wenn überhaupt) ihre Botschafter mit der Kriegserklärung schickten.

Gar nichts damit zu tun hat es allerdings, dass es heute für junge Leute unter dreißig insbesondere vier Möglichkeiten gibt, einen erhöhten Testosteronspiegel, verbunden mit abgrundtiefer Dummheit sowie grenzenloser Egozentrik, auszuleben:

·         Man kann unter fälschlicher Berufung auf Fußball-Interesse als Hooligan anderen jungen Männern (bei deren Abwesenheit ersatzweise Polizeibeamten) die Nase einschlagen. Die Presse bezeichnet solche Kreaturen gerne als „Fans“.
·         Eine vorgebliche „nationale Gesinnung“ reicht als Rechtfertigung, Asylbewerber-Unterkünfte abzufackeln. In den Medien werden solche Dummdödel korrekt „Neonazis“ genannt.
·         Die vorgeschobene „motorsportliche Begeisterung“ führt dazu, mit aufgemotzten Boliden in Innenstädten wettbewerbsmäßig andere Verkehrsteilnehmer totzufahren. Journalisten nennen solche Existenzen zutreffend „Raser“.
·         Eine behauptete „antikapitalistische Gesinnung“ nimmt ein wohlstandsverwahrlostes, pseudoproletarisches Gschwerl zum Anlass, ganze Stadtviertel in Schutt und Asche zu legen. Die politisch korrekte Bezeichnung hierfür lautet „linke Aktivisten“.

Während die anderen Betätigungen wenigstens etwas Aufwand und Risiko beinhalten (Erwerb von Karten fürs Stadion, gesellschaftliche Verachtung bzw. Ankauf teurer Autos), wird bei einen Wochenend-Urlaub für Barrikaden-Rambos eine gepflegte Infrastruktur geboten:

Organisation der Reise, Kost, Logis und Versorgung mit Requisiten scheinen generalstabsmäßig von lokalen und überregionalen Netzwerken organisiert zu sein – sozusagen „All inclusive“ mit „All you can throw“-Garantie für den smarten Marodeur von heute… Dazu ein eigener Sanitätsdienst sowie anwaltliche „Nothilfe“, falls ein selbstredend unschuldiger Junge doch einmal festgenommen werden sollte!

Ich habe in den letzten Tagen stundenlang im Internet Bilder der Ereignisse angesehen – mithin also sehr schlimme Dinge. Das Grauenhafteste war jedoch ein Video, in dem eine Vertreterin des „anwaltlichen Notdiensts“ Hamburgs sich um Kopf und Kragen redet. Ich konnte wegen immer wieder aufkommender Übelkeit erst heute das Dokument insgesamt ansehen und mit sich sträubender Feder etliche Einlassungen mitschreiben:



Die Rechtsanwältin Gabriele Heinecke lässt an Staat und insbesondere Polizei kein gutes Haar: Letztere habe „Fake News“ verbreitet, „rede die Zustande herbei“ – ein Staat allerdings (wohl im Gegensatz zu Anwälten) „darf nicht mit Lügen arbeiten“. Auch ihr selbst ist offenbar schweres Unrecht widerfahren: Trotz Anwaltsleibchen sei sie bei Demonstrationen „geschubst worden“.

Die Demonstration „Welcome to Hell“ am letzten Freitag beschreibt sie so: „Es war am Anfang eine spielerische, eine freundliche, eine solidarische Situation“. Nachdem der „Schwarze Block“ sich bekanntlich weigerte, die Vermummungen abzunehmen, stellt sie die Situation wie folgt dar: „Das Versammlungsgesetz sieht vor, man darf nicht vermummt demonstrieren, aber die waren gerade dabei, sich die Sachen abzulegen, um die es ging.“ (…) „Es war eine Orgie der Gewalt von Seiten der Polizei.“  Erst danach seien Böller und Flaschen geworfen worden.

Die Schuldfrage ist für sie eindeutig: „Das polizeiliche Vorgehen zur Zeit gleicht einem Vorgehen in einem Bürgerkrieg, gleicht dem Niederschlagen eines Aufstands, der gar nicht da ist.“

Insgesamt zeigt die Dame ein Rechtsverständnis, welches eigentlich bereits das Bestehen des Ersten Staatsexamens hätte verhindern müssen (aber eventuell gibt es ja in Deutschland auch schon sehr spezielle juristische Fakultäten…). Ihr Satz ist angesichts der Situation unsäglich: „Gegen eine friedliche Demonstration darf nicht eingegriffen werden.“

Vielleicht wenigstens ein bisschen rechtliche Nachhilfe:

Der Artikel 8 GG lautet:
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Eine solche Eingrenzung liefert das Versammlungsgesetz, § 17a:

(2) Es ist auch verboten,

1. an derartigen Veranstaltungen in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen,
2. bei derartigen Veranstaltungen oder auf dem Weg dorthin Gegenstände mit sich zu führen, die geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern.

(4) Die zuständige Behörde kann zur Durchsetzung der Verbote der Absätze 1 und 2 Anordnungen treffen. Sie kann insbesondere Personen, die diesen Verboten zuwiderhandeln, von der Veranstaltung ausschließen.

Selbst wenn also die Klientel der Frau Anwältin „gerade dabei“ gewesen sein sollte, „sich die Sachen abzulegen“ – sie hätte ihren Mummenschanz nicht mal mit zur Demonstration nehmen dürfen!

Weiterhin wird immer so getan, als betrachte man eine Wirtshausrauferei, bei der die Kontrahenten sich auf Augenhöhe beharken. Nein, hier hat nur die eine Seite das Gewaltmonopol nach ständiger Rechtsprechung des BGH gibt es kein Notwehrrecht gegen hoheitliches Handeln:

https://www.alpmann-schmidt.de/downloads/entscheidung_monat_201510.pdf
 
Noch aufschlussreicher ist jedoch, was Frau Heinecke nicht sagt: Zu den schrecklichen Bildern des Abends dieses Tages (7.7.) findet sie in ihrer Stellungnahme einen Tag später keinerlei Worte. Dafür aber zum Abschluss:
„Wir brauchen Meinungsfreiheit, wir brauchen Versammlungsfreiheit, wir brauchen keinen Polizeistaat.“

Noch Bemerkenswerteres äußert der Anwalt des linksautonomen Zentrums „Rote Flora“, Andreas Beuth:



Nach einem Sturm der Entrüstung ist der Herr inzwischen mit einem typischen Juristenargument zurückgerudert: Er sei missverstanden worden. Nun, dies zeigt immerhin, dass selbst solche Leute noch geistig erreichbar sind, wenn ihnen Zustimmung und Sympathie drastisch wegbrechen…


Nochmal und mit bitterem Ernst: Dies sind „Organe der Rechtspflege“ – aber ihre pflegerische Bemühung kann sich natürlich nicht auf Lappalien richten wie ruinierte Ladenbesitzer und kleine Leute, die sich nun dank verschmorten Automobils überlegen müssen, wie sie zur Arbeit kommen. Ihre Fürsorge hat sich zuvörderst auf die wahrhaft unschuldig Verfolgten zu richten: Schließlich mussten, wie Frau Heinecke wortreich beklagt, ihre hochmögenden Klienten zum Teil stundenlang auf den Ermittlungsrichter warten: ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte!



Frau Heinecke spricht  von der „Polizei, die die Herrschaft in der Stadt übernommen hat“. Wie froh wären viele Hamburger gewesen, hätte sie recht gehabt!


Ich weiß wirklich nicht, wem ich den höheren Gagaismus zubilligen soll: den Brandstiftern vom Schwarzen Block oder ihren Servicekräften in den gleichfarbigen Roben…