Freitag, 8. Januar 2016

Es riecht nach Kölnisch Wasser



Ich habe wahrlich keine Lust, einen Beitrag zur „hohen Politik“ und schon gar nicht zur Flüchtlings- oder Ausländerproblematik zu schreiben. Das Thema ist schwierig und vielschichtig, und ich äußere mich nicht auf Gebieten, wo mir profunde Kenntnisse fehlen.

Als ich allerdings die Auftritte des Kölner Polizeipräsidenten ansah, wurde ich sehr wütend. Diesen Typus von Chef kenne ich auch aus meinem Berufsleben: Dem Mann ist seine Achselnässe nach oben verrutscht und in Mimik und Gestik gelandet. Das sind dann Vorgesetzte, welche an Schulen ihren Verbalradikalismus in Lehrerkonferenzen ausleben: Da werden beispielsweise die Kollegen aufgefordert, das Rauchverbot an der Bushaltestelle vor dem Bildungsinstitut stringent durchzusetzen, selber allerdings steuert man lieber mit seinem Wagen den Direktoratsparkplatz vor dem Hintereingang an. Schlimmer noch: Ist ein Lehrer dann tatsächlich so blöd, sich mit einem Delinquenten anzulegen und darob Beleidigungen oder Schlimmeres an den Kopf geworfen kriegt, beginnt hinter ihm der lautlose Rückzug: Härtere Ordnungsmaßnahmen oder gar ein Verfahren vor dem Disziplinarausschuss? Man muss doch Frieden sowie Ruf der Schule bedenken – und wahrscheinlich sei der Kollege halt mangels pädagogischen Fingerspitzengefühls übers Ziel hinausgeschossen…

Kennzeichnend für solche Schul- oder Polizeidirektoren ist ihre Fähigkeit, sich zu Tode zu lavieren: Da derzeit der Wind via Bundes- und Landesinnenminister plus Presse in die Gegenrichtung umgeschlagen hat, muss nun eine 80-köpfige Sonderkommission herhalten und recherchieren auf Deibel komm raus, um der empörten Öffentlichkeit zumindest eine Handvoll „Tatverdächtige“ präsentieren zu können, die man auf dem Kölner Bahnhofsplatz vor einigen Tagen zwar nicht bequem, aber doch hätte einsammeln können. Ich wage die Voraussage: Kaum einem davon wird man aufgrund verwackelter Handyfotos oder ungenauer Zeugenaussagen rechtskräftig einen Strick drehen können – zumal die Kölner Justiz ja für ihre „Härte“ bundesweit bekannt ist. Was man vor Ort versaubeutelt, kann man am grünen Tisch nicht retten. Dennoch: Die homöopathischen Globuli fürs aufgebrachte Volk werden es tun – und hoffentlich kommt bald eine andere Katastrophe, welche die Sendezeiten füllt. Reichlich 4711 aus der Domstadt wird den Gestank rechtzeitig vor Karneval vertreiben.

Wie kann es eigentlich sein, dass rund zweihundert eingesetzte Polizisten es nicht schaffen, gegenüber einem besoffenen Pöbel auch nur eine einzige Festnahme hinzubekommen, ja nicht einmal viele der angegriffenen Frauen wirksam schützen konnten? Immerhin wurde ja wohl ein Platzverweis ausgesprochen – insofern hätte man ziemlich wahllos zumindest mal ein Dutzend Unruhestifter in Polizeigewahrsam verfrachten können – und das hätte sich via Smartphone dann schon herumgesprochen! Und was den pyromanischen Irrsinn betrifft: Gibt es die Wasserwerfer, welche das Pulver nicht trocken gehalten hätten, nur für linke Demonstranten, oder war winterbedingt der Inhalt eingefroren?

Von deren Gewerkschaftsvertretern kommt auch nicht viel mehr als der bedingte Reflex, mal wieder mehr Planstellen zu fordern. Seltsamerweise waren beim G7-Gipfel im letzten Jahr locker 20000 Beamte verfügbar, da wurde tagelang auch noch der letzte Gulli verschweißt – während man die Verteidigung des Asylbewerberheims im sächsischen Freital gerade mal zwölf Hanseln überließ. Festnahmen: natürlich ebenfalls keine. Es fällt schon schwer, hier lediglich an völlige organisatorische Inkompetenz zu glauben. Und dem Staat gelingt es ebenfalls nicht, millionenschwere Fußballvereine zur Finanzierung der Kosten heranzuziehen, die wöchentlich bei der Bändigung ihrer halbirren „Fans“ anfallen.

Beamte lassen gerne in dem Moment ihre Überzeugungen fallen, wenn sie (per Beförderung) in die Lage versetzt werden, diese zu verwirklichen! Aus meinem Beruf kenne ich die Installation der berüchtigten „Schere im Kopf“ zur Genüge: Sich ja nicht angreifbar machen, keine Beschwerde riskieren, das gibt dann wieder stundenlange Schreibarbeit… Ja, wenn der keinen Ausweis hat, wie soll man dann seine Personalien feststellen? Wenn die Erfordernis, Frauen vor Sexualdelikten und Raub zu bewahren, keine „Gefahr im Verzug“ darstellt und somit ein resolutes Durchgreifen rechtfertigt, weiß ich nicht, worauf der berühmte Begriff aus der Strafprozessordnung dann noch anwendbar wäre!

Not kennt kein Gebot – und wenn daher in einem solchen Chaos einmal ein blaues Auge mehr anfallen sollte, haben die Beamten Vorgesetzte verdient, die hinter ihnen stehen und sie verteidigen. Damit will ich keine Polizeiübergriffe, die es ja auch gibt, rechtfertigen – auf der anderen Seite nützen aber auch mit Uniform verkleidete Sozialarbeiter nicht wirklich etwas, die dann noch über „fehlenden Respekt“ jammern. Aus meiner Schulpraxis weiß ich: Respekt bekommt man nicht einfach – man muss ihn sich verschaffen.

Besonders drollig finde ich dann die Bekenntnisse von Schreibtischseite, diese Zwischenfälle habe man so nicht erwarten können. Im Gegenteil: Befürchten musste man so etwas schon lange – vielleicht nicht so, aber in der Tendenz sehr wohl! Beispielsweise hätte man einmal das Buch der griechischstämmigen Beamtin Tania Kambouri lesen können: „Deutschland im Blaulicht: Notruf einer Polizistin“. Bereits vor zwei Jahre hatte sie per Leserbrief in der Zeitung der Polizeigewerkschaft auf die Problematik „junger Männer aus muslimisch geprägten Ländern“ aufmerksam gemacht. Der Innenminister, welcher heute wieder das Versagen seiner Polizeiführung zu vertreten hat, hatte damals bei einer Podiumsdiskussion gesagt: „Ich verstehe die Kollegin gut.“ Geändert hat das offenbar nichts – aber gut, dass wir mal darüber gesprochen haben.

Helfen würde die Konfrontation mit der Realität. Schon oft habe ich meine Forderung vertreten, Schulleiter müssten selber noch Unterricht geben, weil sie sonst den Eindruck verlieren, was es heißt, vor dreißig überdrehten Kids zu stehen. Und daher halte ich auch nichts vom Rücktritt von Polizeipräsidenten, sehr wohl aber etwas von deren gelegentlicher Abordnung zum nächtlichen Streifendienst in einem Problemviertel. Dies würde bei der Gruppe der Schreibtischsessel-Anwärmer im Höheren Dienst generell für realistischere Entscheidungen sorgen – und nicht für das modische Parfümieren von Desastern mit dem Duftwasser aus der Glockengasse.

Und das Schlimmste: Diese Ereignisse werden denjenigen Auftrieb geben, welche schon längst mit der Formel „Ausländer = Verbrecher“ hausieren (oder brandstiften) gehen.

Heute war zu vernehmen, das Kölner Polizeipräsidium habe für Silvester immerhin drei Hundertschaften zur Verstärkung von außerhalb angefordert, aber nur zwei bekommen. Und – jetzt lachen Sie nicht – so eine Hundertschaft besteht aus 80 Mann! (Reprisen-Gag: Inzwischen lese ich, deren damalige Stärke habe bei 38 Beamten gelegen nix Genaues weiß man offenbar immer noch nicht...) Nun noch der Obergag: Nein, nach neuesten Meldungen hat die Polizeidirektion Köln selber die dritte Hundertschaft abgelehnt!

P.S. Das Buch von Frau Kambouri ist wirklich – auch für Lehrer – sehr  empfehlenswert:
http://www.amazon.de/Deutschland-Blaulicht-Notruf-einer-Polizistin-ebook/dp/B013WXSTCW/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1452207904&sr=1-1&keywords=tania+kambouri

P.P.S. Nun wurde der Kölner Polizeipräsident in den einstweiligen Ruhestand versetzt, d.h. er wird künftig auch offiziell fürs Nixtun bezahlt. Mein Vorschlag, ihn zum Streifendienst abzuordnen, war eh verfehlt: Der studierte Jurist hat offenbar keine Polizeiausbildung; laut Wikipedia tat er nach dem Staatsexamen in der Bezirks- und später Landesregierung Dienst und wurde dann Polizeipräsident in Bonn, wo er Personal abbaute. In der Schutzpolizei war er wohl nie tätig!

Dienstag, 13. Oktober 2015

Der Fisch stinkt vom Kopfe her



Sprichwort: Im (Fisch)kopf ist das leicht verderbliche Hirn. Dort fängt der Fisch zuerst an zu stinken.“

Der im letzten Artikel beschriebene Ablauf einer ziemlich heftigen Elternbeschwerde bezog ja schon eine wichtige Instanz mit ein: den Schulleiter (wegen der paar Prozent Frauen in diesem Job lohnt eine Gender-Correctness nicht).

Hinsichtlich dieser Person habe ich in solchen Fällen einen ziemlich stereotypen Ablauf erlebt, der es fraglich macht, ob ich bei meinen Erfahrungen stets an Zufälle geraten bin:

·         Während man mit einem eigenen Anliegen oft tagelang auf einen Termin beim Chef warten muss, werden querulierende Eltern gern gleich telefonisch durchgestellt, statt dass man sie zunächst an die zuständige Lehrkraft verweist oder erstmal warten lässt, bis sie sich etwas abgekühlt haben. So wird auch der windigste Firlefanz gleich zur „Chefsache“ aufgeblasen – die einschlägigen Dramatisierungen inklusive.
 
·         Der arme Schulmeister wird bei solch „hochwichtigen“ Affären dann oft unverzüglich vom Flur ins Direktorat gezerrt: „Gut, dass ich Sie gerade sehe – wir müssten mal was Dringendes besprechen.“ Merke: Elternwünsche haben stets Vorrang! Übrigens besteht zwischen der Hektik der Sachbehandlung und der Wichtigkeit des Vorfalls keinerlei Relation: Es muss keine Note Fünf im Abitur sein – es reicht durchaus, wenn Sie einen „Turnbeutelvergesser“ zum Aufräumen der Gymnastikmatten verdonnert haben: Hauptsache, die Erziehungsberechtigten sind empört genug!
 
·         A priori spricht ein solches Vorkommnis schon mal gegen den Lehrer, was man oft schon unter Augenbrauenrunzeln als ersten Satz vernimmt: „Der Vater des Schülers … hat vorhin angerufen und sich über Sie beklagt.“ Merke: Einem guten Lehrer passiert so etwas nicht – und nun machen Sie Ihrem Direktor mit der „leidigen Angelegenheit“ auch noch Arbeit!
 
·         Nicht, dass Sie nun glauben, bei der anschließenden Unterredung ginge es um die Berechtigung oder gar den Sinn Ihrer Maßnahme! Ziel ist einzig und allein die „Wahrung des schulischen Friedens bzw. Ansehens“ – vulgo, die Eltern sollen genügend beruhigt werden, um von weiteren Attacken abzulassen. Zugeständnisse Ihrerseits werden als selbstverständlich vorausgesetzt – eine geeignete Lehrkraft beharrt eben nicht stur auf Ihrem Standpunkt, und mag der noch so richtig sein!
 
·         Zu oft kommt es schließlich dazu, dass Ihre ursprüngliche Entscheidung relativiert oder gar storniert wird. Mit der Folge, dann als Lehrer zu gelten, dessen Anweisungen nicht ernst zu nehmen sind, dürfen Sie alleine fertig werden – oder mit der berühmten „Schere im Kopf“, lieber inkonsequent zu sein als die nächste Beschwerde am Hals zu haben.

Ich war wohl in meinem Berufsleben (vielleicht am Anfang mehr als gegen Ende) das, was man einen „strengen Lehrer“ nennt. Der Grund dafür könnte nicht zuletzt darin liegen: Während zu meiner eigenen Schulzeit Lehrer „Halbgötter“ waren (der Chef natürlich das Doppelte), hatten sich die Machtverhältnisse in meiner Referendarzeit schon ziemlich umgekehrt. Der typische Seminarlehrer warf dann im Notfall lieber seine Leute den Schülern zum Fraß vor, auf dass sie ihn selber in Ruhe ließen. Sehr bald wurde mir klar:

Wir Lehrer haben den Rücken frei, denn hinter uns steht niemand mehr.

Am besten war es, seine Entscheidungen im Alleingang durchzudrücken – auf Hilfe „von oben“ sollte man sich lieber nicht verlassen. Da wird man dann im Unterricht schon mal etwas lauter und entschlossener, als einem wirklich zumute ist…

Was ist der Hintergrund des ganzen Dilemmas? Wir könnten hierzu natürlich eine Vielzahl gesellschaftlicher Faktoren diskutieren, um hernach festzustellen, dass wir diese nicht ändern werden. Ich möchte mich dagegen auf einen Punkt konzentrieren, der – zumindest nach meinen Erfahrungen – ziemlich maßgeblich für die zunehmende Frustration und „innere Emigration“ in der Lehrerschaft ist:

Die meisten Schulen werden von Personen geleitet, die hierfür nicht sehr geeignet sind.

Wenn Sie sich von Ihrer Ohnmacht wieder erholt haben, möchte ich Ihnen gerne typische Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensweisen von Menschen beschreiben, die gemeinhin an die Spitze von Bildungsinstituten führen:

·         Diese Personen weisen fast immer ein exzellentes Fachwissen auf, was durch beste Noten im ersten und zweiten Staatsexamen dokumentiert wird.
 
·         In ihrer schulischen Karriere fallen sie durch höchst innovativen (vielleicht nicht immer effektiven) Unterricht auf und machen sich einen Namen durch Beteiligung an allen möglichen klassen- und schulübergreifenden Projekten.
 
·         Sie zeichnen sich durch hohe kommunikative Kompetenz aus, welche sie vielleicht nicht ganz altruistisch, sondern durchaus zum Verfolgen des eigenen Fortkommens einsetzen. Daher erhalten sie beste Beurteilungen, was ja zur Berufung auf eine solche leitende Position unabdingbar ist.
 
·         Sie gehören zum Typus des „24-Stunden-Lehrers“: Die Schule ist ihr einziger Lebensinhalt, sie verbringen dort mehr als die Hälfte des Tages, was natürlich ihren Vorgesetzten sehr positiv auffällt.
 
·         Sie denken und handeln „mainstream“ unter steter Beachtung einer größtmöglichen Zustimmung für ihre Aktivitäten. Fällt diese zu gering aus, können sie ihre Inhalte ziemlich flexibel und ohne schlechtes Gewissen variieren. Konflikten mit Gleich- oder Höherrangigen gehen sie aus dem Weg. Ein „Querkopf“ oder gar „Rebell“ sind sie niemals.

Stellt man eine solche Person an die Spitze eines Instituts mit einer eher vierstelligen Schülerzahl, beginnen die obigen Eigenschaften sich (weiter) zum Negativen zu entwickeln:

·         Da sie auf Grund ihrer professionellen Leistungen sowieso zu einem gewissen „Primusdenken“ neigen, verfestigt sich die Einstellung, nun aber auch wirklich alles Schulische besser beurteilen zu können als der Rest.
 
·         Eingedenk ihrer eigenen Aktivitäten ist ihnen ein Kollegentypus, der seine Arbeit auf den Unterricht konzentriert (und mag der noch so wirkungsvoll sein) ein Gräuel – „Aktivitätsepileptiker“, „Sozialarrangeure“ und "Grillfestorganisatoren" haben da mehr Chancen.
 
·         Ihre Neigung, das Leben außerhalb der Schule zu ignorieren, setzt sich weiter fort mit dem Ergebnis, dass sie zum „Workaholic“ werden - in der Endphase getrieben von der Überzeugung, dass sie unersetzlich sind und ohne sie nichts mehr geht.

·         Hieraus resultieren schwerste Mängel in der Fähigkeit, Aufgaben zu delegieren: Wenn, dann erfolgt dies höchstens aus totaler Arbeitsüberlastung, und beim geringsten Zweifel mischt man sich wieder ein und demonstriert dem Untergebenen, dass er es „halt nicht kann“ – was zumindest auch ein Grund für die fortschreitende Unselbstständigkeit in der Lehrerschaft ist.
 
·         Der „Mainstream-Zwang“ weitet sich aus: Entscheidungen von Lehrkräften werden weniger auf ihre Richtigkeit denn ihre Popularität geprüft. Konflikte scheut man wegen des „großen Ganzen“ mehr denn je – und Eltern können halt mehr Ärger machen als Lehrer, welche man ja notfalls per Dienstrecht in den Griff kriegt.
 
·         Natürlich ist es wahr, dass die Bildungsministerien sich alle Mühe geben, Direktoren mit jeder Menge Erlassen und Anweisungen zu beschäftigen – ebenso stimmt es aber auch, dass kaum ein Chef es wagt, unsinnigen Formularmüll einmal liegen zu lassen. Wie gesagt: Rebellen sind sie nicht, und mit steigender Position wächst die Angst vor dem Absturz.
 
·         Wegen all der Arbeitsüberlastung müssen die Leiter größerer Schulen meist keinen oder kaum noch selber Unterricht geben. Nach einiger Zeit wandelt sich daher ihre Berufsauffassung völlig: Sie sind kein Lehrer mehr, sondern Verwaltungsbeamter. Ob dies nun ihr Motiv für die Bewerbung um einen Chefposten war oder nicht: Das Verständnis für die Probleme „an der Front“ geht verloren. Man vergisst, wie leicht man dort straucheln kann und wie nötig dann eine Rückendeckung wäre.

Ich hätte mir in meinen Berufsleben mehr Schulleiter gewünscht, die

·         ruhig hätten schlechtere Staatsexamensnoten haben können. Hochgestochenes akademisches Wissen oder pädagogische Definitionen spielen im Klassenzimmer kaum eine Rolle, bei der Leitung einer Bildungseinrichtung gar keine.
·         in erster Linie Meister des Unterrichtens sind und dies auch weiterhin tun – als Vorbild für ihre Lehrer.
·         das unterrichtsferne Schaufenster-Getütere in Form von „Projekten“ und „Schulinnovations-Geschwätz“ in Grenzen halten zugunsten des Fokus darauf, wie man den Schülern wichtige Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln kann.
·         wissen, an wen sie welche Aufgaben vertrauensvoll delegieren können – und ihn dann auch machen lassen.
·         nach außen und oben hin Courage zeigen und unpopuläre Entscheidungen vertreten, wenn sie von deren Richtigkeit überzeugt sind.
·         wissen, dass es ein Leben außerhalb der Schule gibt, und intensiv daran teilnehmen – auch, wenn das „Forum Schulentwicklung“ dann einmal ausfallen sollte...
·         sich bei Attacken auf ihre Lehrer nicht als „neutraler Moderator“ gerieren, sondern sich daran erinnern, dass die Lehrkräfte ihre Kollegen sind – und nicht nur waren.

Dies alles dürfte in vielen Ohren hart klingen. Man muss aber wissen, dass Direktoren an ihrer Schule eine sehr weitgehende Entscheidungsbefugnis haben. Wenn es daher in einer solchen Einrichtung müffelt, sollte man die Geruchsquelle nicht im Klassenzimmer suchen...

Mittwoch, 2. September 2015

Karin Law Robinson-Riedl: Warum es die Lehrer „nicht bringen“



A: Junger Erwachsener, inzwischen längst im Beruf angekommen, hat das Gymnasium durchlaufen
B: Lehrerin nach vielen Dienstjahren

A: Meine Schulerinnerungen sind leider Gottes überwiegend lausig!
B: Warum?
A: Die Lehrer haben es nicht geschafft, uns Schüler zu erreichen; reden vor sich hin, keiner hört zu.
B: Warum habt ihr nichts gesagt, nicht den Dialog gesucht?
A: Haben wir ja. Wir hatten zwei Bücher (Lektüre) gelesen. Dann wollte die Lehrerin ein drittes behandeln. Da habe ich mich gewehrt und gefragt, wozu? Warum lesen wir nicht Zeitungsartikel, von denen wir wirklich was haben, die sich auf die Realität beziehen?
B: Was hat euch denn an den Lektüren gestört?
A: Alte Sprache - unverständlich, Themen, die keinen Menschen interessieren…
B: Stimmt, alte Sprache ist schwer zu verstehen, muss man teilweise schon übersetzen. Es gibt schon Goethe als Comic, damit es jeder kapiert. Auch: Nacherzählungen von klassischen Werken für die Jugend (z.B. „Nathan der Weise“, „Nibelungenlied“ usw.). Ist das vielleicht doch ein Verlust? Wie beim Verlust von genetischen Programmen durch das Aussterben von Arten… Außerdem: Wer außer Gymnasiasten soll denn noch an die „alte“ Sprache herangeführt werden? Stichwort: Geschichtsbewusstsein! Das ist ein Gesamtpaket: Geschichte, Literatur – das sind doch „Werte“ unserer Kultur! Andere Völker wie die Franzosen sind darauf stolz. Übrigens wurde neulich der Haupttempel von Palmyra zerstört durch die IS-Leute. Machen wir das jetzt ähnlich?
A: Natürlich nicht, aber es wird zu lange auf Lektüren herumgeritten…
B: Kann schon sein. Frage der Schwerpunkte im Lehrplan!
A: Eben, da muss doch Realität, das Hier und Heute rein! Wie werden denn die Schüler auf das Leben nach der Schule vorbereitet?
B: Das Gymnasium setzt (zumindest auf dem Papier) auf eine breite Allgemeinbildung (altes humanistisches Prinzip) und nicht auf reines Faktenlernen.
A: Wir haben in Biologie, Erdkunde usw. seitenweise Fakten lernen müssen. Einzelheiten, die man sofort vergisst.
B: Das sollte in keinem Fach so sein. Daher auch bei der Lektüre: Bücher enthalten für mich „kondensierte Lebenserfahrung“. Am fiktiven Muster werden Lebensentwürfe, Entwicklungen, Zusammenhänge sichtbar. Der Autor hat Ereignisse literarisch zusammengefügt, so dass man Dinge, die einen selbst, die eigene Realität betreffen, unter einer bestimmten (neuen) Perspektive wiedererkennt. Oder man vergleicht seine Realität mit der fiktiven, erkennt die Unterschiede. Das bringt einen weiter.
A: Ist mühsam. Vor allem, wenn es langweilig präsentiert wird.
B: Wie denn?
A: Schlagt das Buch auf Seite 9 auf und dann lesen wir…
B: Kann mal sein, aber dauernd ist das natürlich nichts.
A: Die Schüler bleiben außen vor, werden nicht mitgenommen.
B: Warum meldet ihr euch nicht, stellt keine Fragen?
A: Da vergeht es einem irgendwann.
B: O mei‘…

Fazit:
Die neuen Unterrichtsformen setzen stark auf die Aktivierung der Schüler. Das ist wohl dringend notwendig. Aber, wie ich es schon oft erlebt habe, wird eine Methode mal wieder verabsolutiert, was sie letztlich ins Leere laufen lässt. Warum denn kein Methodenwechsel? Nicht nur von einer Stunde zur nächsten (also von einem Lehrer zum nächsten), sondern bei jedem Unterrichtenden im Einzelnen, passend zum Stoff, um den es geht.

Sicherlich muss der Lehrende Verständnis dafür haben, wenn ein Schüler kein intensiveres Interesse an dem Inhalt zeigt, den er anbietet. Grundlagen muss er verlangen, das ist sein Job, aber er darf nicht persönlich beleidigt sein, wenn es nicht darüber hinausgeht!

Aber die Probleme mit dem Lehren und Lernen sind Jahrtausende alt. Nicht einmal Jesus hat alle seine Jünger erreicht, wie wir wissen. Obwohl es ihm an Charisma bestimmt nicht gefehlt hat! Es stimmt wohl die alte Regel von dem Samenkorn, das eben auch auf fruchtbaren Boden fallen muss. Der Boden meint nicht nur Interesse für den jeweiligen Inhalt und eine Begabung dafür, sondern eine allgemein menschliche Aufgeschlossenheit für Inhalte insgesamt. Wie sehr man sich darein vertieft, mag individuell verschieden sein. Das ist legitim. Aber eine Grundbereitschaft und Höflichkeit seitens der Schüler, sich dem Angebot wenigstens einmal zu öffnen, muss vorhanden sein, sonst gibt es keine Chance.

Dann können die Lehrer es auch bringen!

P.S. Der obige Dialog hat in den Grundzügen so stattgefunden; Details wurden ergänzt.